1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
5. Der österreichische Staatskanzler Clemens Wenzel Fürst von Metternich. 27
5. Der österreichische -Staatskanzler Clemens Wenzel
Fürst von Metternich.
(Nach Anton Springer, Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener Frieden und
desselben Verfassers „Fürst Metternich" in R. Haym's preußischen Jahrbüchern,
bearbeitet vom Herausgeber.)
Der berühmteste Staatsmann Oesterreichs im 19. Jahrhundert
und zugleich der einflußreichste Lenker der europäischen Politik war
der Graf und spätere (seit 1813) Fürst Clemens Wenzel Lothar
Metternich-Winneburg, dessen größte Macht keineswegs in seine
späteren Jahre fällt, als er gemeinsam mit dem Erzherzog Ludwig
und dem Grafen Kolowrat im Namen des Kaisers Ferdinand I. in
Oesterreich regierte (1835—1848), sondern so lange er die Gewalt
mit Kaiser Franz I. theilte (1809—1835). Doch fehlte viel, daß
er die Zügel der gesammten österreichischen Staats-Verwaltung in
seiner Hand vereinigt hätte; die eigentliche Administration, das Ber-
fassungswesen, die Finanzkunde blieben ihm stets fremd. Nur die
diplomatische Kunst verehrte in ihm einen Meister, nur die Verhält-
nisse Oesterreichs zu den anderen Staaten reizten seine Aufmerksam-
keit, aber gerade in dem Mitrathen über die Angelegenheiten des
europäischen Staaten-Systems glaubte Oesterreich seine wesentliche
Bestimmung zu erfüllen und so übte Metternich auch auf Oesterreichs
Schicksale einen entscheidenden Einfluß. — Kein Staat hat in den
letzten Jahrhunderten so viele fremde fertige Kräfte in seinen Dienst
gezogen und seinen Bedarf an Feldherren, Diplomaten, Ministern
u. s. w. aus einem so ausgedehnten Kreise, weit über die Landes-
grenzen hinaus, gewählt, wie Oesterreich. Der heimische Bürgerstand
war geistig und social in die engsten Schranken gebannt, die unga-
rische und böhmische Aristokratie theils zu unabhängig, theils zu un-
gebildet, um am Hofe zu dienen oder der Negierung vorzustehen.
Die Fremden empfahlen sich durch die Freiheit von allen spröden
Provincial-Jnteressen, die unbedingte Abhängigkeit vom Hofe und,
was wichtiger ist, sie allein besaßen die Fähigkeit, Oesterreichs weniger
durch innere Stärke als durch äußeren Einfluß bedeutsame Macht
zu vertreten und zu entwickeln. Zu diesen freiwilligen Oesterreichern
gehörte auch die rheinische Familie der Grafen Metternich. Der
Staatskanzler war 1773 zu Coblenz geboren, wo sein Vater als
kaiserlicher Minister beim niederrheinisch-westfälischen Kreise lebte.
Während seiner ganzen Jugend blieb er fern von österreichischen Ein-
drücken und empstng ausschließlich die Anregungen des rheinischen
Lebens, insbesondere verläugnete er nie die Züge des Geistes, der
an den kleinen Höfen der rheinischen Kurfürsten waltete. Daher
stammt der leichte Lebenssinn, die flüchtige Auffassung des Pflicht-
mäßigen, die kluge Berechnung der kleinen und persönlichen Lebens-