1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
19. Die politischen und religiösen Kämpfe in der Schweiz.
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wagte aber nicht, weiter vorzugehen und wurde am anderen Morgen
mit überlegener Macht angegriffen und zurückgeschlagen. Ochsenbein
fand sich in der Nacht nicht zurecht, eine Abtheilung seiner Colonne
unter Billo wurde an der Emme von Schwyzern zurückgeschlagen.
Am Morgen suchte Ochsenbein ihn mit Rothpletz vergebens und hielt
sich allein für zu schwach, zumal rings um ihn schon der Luzerner
Landsturm plänkelte. Er befahl also den Rückzug, der bald in eine
regellose Flucht ausartete. Billo entkam mit dem Reste seiner Schaar
über Sursee. Rothpletz wurde, nachdem seine Colonne sich aufgelöst,
mit wenigen Gefährten nahe am Ufer der Emme gefangen.
Die Radicalen trachteten nun, neue Kräfte zu sammeln, um
Rache zu üben; sie drohten, das Haupt der Freischärler zum Schult-
heiß von Bern und somit, wenn Bern Vorort wurde, zum Haupte
der Eidgenoffenschaft zu erheben. Wessen hatten sich die katholischen
Cantone zu versehen, wenn Ochsenbein's Erhebung durchging? Daher
verbanden sich die sieben katholischen Cantone: Luzern, Schwyz, Uri,
Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis zu gemeinschaftlicher Ver-
theidigung. Es geschah heimlich, aber bald verbreitete sich die Kunde
davon, und augenblicklich wurde dieser sog. Sonderbund von
den Radicalen als ungesetzlich und bundeswidrig bezeichnet, obgleich
sie selbst früher das bekannte Siebener Concordat geschlossen hatten.
Mit Neujahr 1847 wurde Bern Vorort, aber Funk als Schult-
heiß und Präsident der Tagsatzung vorgeschoben, und Ochsenbein
trat erst am I. Juli als solcher ein, um von diesem Moment an
Schlag auf Schlag gegen die katholische Partei zu führen. Seine
Zurückhaltung in der ersten Hälfte des Jahres war darauf berechnet,
die Gegner und die auswärtige Diplomatie noch in täuschende Ruhe einzu-
wiegen. Am 5. Juli eröffnete er die Tagsatzung und am 20. wurde in
derselben beschlossen, der Sonderbund sei mit dem Bundesvertrage
unvereinbar, mithin aufzulösen. Im August wurden alle Officiere der
sieben Orte aus dem eidgenössischen Dienste gestrichen, im September
die Vertreibung der Jesuiten aus der ganzen Eidgenossenschaft und
die Vollziehung der Execution gegen den Sonderbund beschlossen.
Sofort wurden die Rüstungen zum Kriege vorgenommen und von der
Tagsatzung der Genfer Dufour zum General und Oberbefehlshaber
sämmtlicher Executionstruppen ernannt. Er ließ gegen 100,000
Mann aufbieten, welche zunächst tüchtig exerciren und manövriren
mußten. Im Kriegsrathe des Sonderbundes war so viel Besonnen-
heit und Methode nicht zu finden. Mancher zwar gab den einzig
vernünftigen Rath, die Begeisterung des katholischen Volkes zu be-
nutzen und rasch anzugreifen, ehe noch Dufour seine Leute alle ver-
sammelt und eingeübt hätte. Allein die Mehrheit wollte sich auf
bloße Vertheidigung beschränken.
Man wußte, Dufour werde zuerst über das völlig isolirte Frei-
burg herfallen. Ein Attache der französischen Gesandtschaft holte
von dort die Jesuitenschüler ab und rettete sie bei Zeiten über die
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