1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
35. Die verfassunggebenden Versammlungen in Deutschland. 385
lung sprach dann die Absetzung des Reichsverwesers aus, forderte
alle deutschen Heere zur Anerkennung ihrer Befehle auf, und ver-
langte von der Württembergischen Regierung mit Geld und Mann-
schaft unterstützt zu werden. Aber das Württembergische Ministerium,
obgleich ein zur Nationalversammlung gehörendes Mitglied, Römer,
an seiner Spitze stand, war nicht geneigt, diesem Ansinnen zu will-
fahren, und seine Weigerung wurde von der Württembergischen Stände-
versammlung gebilligt. Aus Stuttgart selbst und einer großen An-
zahl von Gemeinden und Volksvereinen liefen zwar Adressen an die
Nationalversammlung ein, welche ihr Schutz und Beistand anboten.
Indessen hielten die Truppen zur Regierung, und dies gab derselben
den Muth, die Nationalversammlung zur Einstellung ihrer Sitzun-
gen aufzufordern, und das Local derselben schließen zu lassen. Am
18. Juni, Nachmittags um drei Uhr, setzte sich die Nationalversamm-
lung in feierlichem Zuge nach ihrem Sitzungssaal, zu dem neuer-
dings ein Reithaus eingerichtet worden, in Bewegung. Voran ging
der Präsident der Versammlung, Löwe von Kalbe, von dem Dichter
Uhland und von dem Procurator Schott, dem ältesten und bewähr-
testen der Württembergischen Freisinnigen, begleitet. Fußvolk und
Reiterei hatte die Wege zum Sitzungssaal abgesperrt. Die Abgeord-
neten mußten, von der vorrückenden Reiterei fort und fort gedrängt,
aus einander getrieben und versprengt, zuletzt in einzelnen Häusern
Schutz suchen.
Unterdessen waren preußische Trappen unter dem Oberbefehl des
Prinzen von Preußen und Reichstruppen (Hessen, Mecklenburger u. a.)
unter dem General von Peucker am Mittelrhein erschienen, um den
Aufstand auf beiden Ufern zu unterdrücken. Die Reichstruppen wur-
den bei Mannheim, Ladenburg und Schriesheim mit empfindlichem
Verlust zurückgeworfen. Um so entscheidender wirkte in der Pfalz
das Vordringen der Preußen. In zwei Colonnen vorgehend, säu-
berten sie das Land von den zerstreut aufgestellten Freischaaren, ent-
setzten zu rechter Zeit Landau und waren noch vor den Aufständi-
schen im Annweiler Thal, wo diese zum Kampfe Stellung nehmen
wollten. Ohne daß ein eigentlicher Kampf stattgefunden hätte, räum-
ten die Pfälzer ihre Heimat und betraten am 18. Juni, noch 8000
Mann stark, über die Knielinger Schiffbrücke den badischen Boden.
Das erste ernstere Zusammentreffen in Baden fand am 21. Juni
bei Wag Häusel statt; eine preußische Division war zurückgeworfen,
als das Eintreffen überlegener Verstärkungen beu Sieg der Preußen
entschied. Durch eiuen geschickten Marsch entzog sich Mieroslawski
den Folgen seiner Niederlage und stellte sich am 25. bei Durlach
zu neuem Kampfe. Wieder wurde lange und blutig gestritten, wie-
der gewann die Kriegszucht der Begeisterung das Feld ab. Damit
ging Karlsruhe verloren, und den Aufständischen blieb nun noch das
Oberland mit der Murglinie, Rastatt und den Pässen des Schwarz-
waldes. Am 29. entwickelten sich an der Murglinie mehrere Gefechte,
Pütz, Histor. Darstell, u. Charakteristiken, Iv. 25