1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Vi. Die Perser.
noch drei andere Erzählungswelsen über Cyrus kenne. Er hat diejenige
gewählt, in der ihm die wenigsten Uebertreibungen vorznkoinmen schienen.
Aber seine höchst anmuthige und liebliche Jngendgcschichte des Helden
verräth auch ihren Sagencharakter deutlich genug*). Oesters kommt
es vor, daß die Volksmeinung sich große und glückliche Helden, beson-
ders Staatcnstister, als unter einem besondern göttlichen Schutze stehend
vorstellt; dieser zeigt sich denn schon in wunderbaren Rettungen ans
großen Gefahren, die ihnen gleich bei der Geburt drohen. Es scheint
aber auch die Abstammung des Cyrus von einer Tochter des Astyages
ersonnen und zwar von Medern, um ihr Volk zu trösten über den
Verlust der Oberherrschaft durch die Vorstellung, daß die neue Dynastie
doch ans dein Blute der alten entsprungen sei. Uebrigens hat es große
Wahrscheinlichkeit, daß Ktesias persischen Ueberlieferungen folgt, Herodot
medischen. Das letztere zeigt sich nicht nur in jener verwandtschaftlichen
Anknüpfung der Achämeniden an den Astyages, sondern auch in dem
Gewicht, welches ans die Rache und die List des Harpagus gelegt wird.
Denn auch darin findet bis auf den heutigen Tag verletzter Rational-
stolz Beruhigung, daß die Fremden nicht gesiegt haben würden ohne
Verräthcrei der Einheimischen.
Die Meder hatten indeß einen viel wesentlicheren Grund des Tro-
stes über diesen Verlust als den Glauben an Verrath und an die Ver-
wandtschaft der königlichen Häuser. Sie wurden nicht genöthigt, ihre
Gesetze und Einrichtungen gegen die des siegenden Volkes zu vertauschen;
vielmehr konnte es, da die Sieger keine Barbaren waren und herrschen
aber nicht zerstören wollten, gar nicht anders kommen, als daß König-
thum, Hofleben, Regierungsweise, Verhältniß der Stünde, im Wesent-
*) Das, was Herodot über die Anfänge und das Ende des Cyrus erzählt, ge-
hört, gleich den Erzählungen Diodor's von der Scrniramis, in das Gebiet
der orientalischen Mährchen und leidet überdies an anffallenden inneren
Widersprüchen, die anch an einem Mährchen zu tadeln sein würden. Astya-
ges, ein Greis und ohne männliche Erben, der sich hätte freuen müssen,
in dem Sohne einer geliebten Tochter einen Thronfolger zu ei halten, be-
fiehlt rhu zu ermorden, weil ihm ein Traum die dereinstige Größe dieses
Enkels verkündige. Er will also lieber den Thron auf einen Fremden
übergehen lassen, um seine eigenen Nachkommen nicht über Asien herrschen
zu lassen. Alö der Knabe durch einen glücklichen Zufall gerettet worden,
ist er zwar voll Freude hierüber, nimmt aber an dem ihm verwandten und
vertrauten Harpagus, der hierbei nichts weiter verschuldet, als daß er den
Mordbefehl nicht selbst vollzogen hat, die scheußliche Rache, dessen eigenen
Sohn schlachten und dem Vater zum Mahle vorsctzen zu lassen-, dennoch
stellt er später denselben Harpagus an die Spitze des wider den Cyrus
ausgerüsteten Heeres. Die beabsichtigte Verbrennung des kriegsgefangenen
Crösus mit vierzehn gefangenen lydischen Jünglingen ist, von der dem son-
stigen Charakter des Cyrus nicht entsprechenden Grausamkeit abgesehen,
mit dem persischen Feuerdienst nicht zu vereinbaren, welcher nicht gestattete,
das edelste und reinste Symbol der Gottheit durch Verbrennung mcnschli-
cher Körper zu entweihen; auch kommt kein anderes Beispiel vor, daß per-
sische Könige, wie erfinderisch sie in Hinrichtungsqualen waren, den Feuer-
tod angewendct halten. (K. A. Menzel, historische Lehrstücke I. S. 207 s.)