1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
46. Carthago im Kampfe mit den Griechen auf Sicilien.
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lang vor den Mauern und Gräben Lilybäums alle seine Belagernngs-
künste ans. An dieser einen Stadt zerschellte all sein Glück! Da faßte
er in seinem Ingrimm den Entschluß, gleich dem Agathokles, den Krieg
vor die Thore Carthago's zu versetzen, und hier, wenn auch nicht
die Demüthigung und Unterjochung der Mcereskönigin, doch wenigstens
die Auslieferung des Schlüssels zu Sicilien, die Ucbergabc von Lily-
bäum zu erzwingen, um dadurch auch den letzten Punkt der Insel an
sich zu reißen.
Pyrrhus kannte den Geist und Charakter städtischer Dcmokra-
tieen nicht, sonst hätte er ihn besser zu würdigen gewußt. Die Art
und Weise, wie er griechischen Dcmokratieen Contributionen zur Aus-
rüstung einer Flotte auferlegte, impfte diesen nicht bloß Lauheit und
Unzufriedenheit mit dem übermüthigen Gebieter ein, sondern nährte und
steigerte deren alte Abneigung und Haß gegen eine Monarchie. Ihr
demokratischer Geist fühlte sich verletzt und äußerte sich bis zum Wi-
derstand. Diese Opposition steigerte des Pyrrhus Erbitterung und
Willkühr. Er ward das leibhafte Bild eines Tyrannen, sprach Recht
nach Gutdünken, besetzte Statthalterschaften und Ehrenstellen nach Be-
lieben, sogar mit Fremdlingen, legte in die wichtigsten Plätze zuverläs-
sige Truppen und Kriegsoberstc, erlaubte sich ungescheut Eingriffe in
die demokratischen Rechte und Freiheiten, versicherte sich der vornehmsten
und einflußreichsten Männer, ließ sie tödtcn oder verjagen, so daß die
Sikelioten sich ganz und gar von ihm abwandten, haufenweise aus sei-
nem Heere fortliefen und sich nicht scheuten, gegen einen solchen Ty-
rannen selbst mit Carthagcrn und Mamcrtinern in Verbindung zu treten.
Diesen Moment benutzte Carthago, das seine Hoffnung auf Wie-
dererlangung des Verlornen unterdessen keineswegs aufgegeben hatte.
Eine neue Flotte ward ausgerüstet und an die Küsten von Sicilien
gesandt, nicht nur um an neue Eroberungen zu gehen, sondern auch um
dem am Rande seines Verderbens stehenden Epirotenkönige den Rück-
zug nach Italien abzuschneiden. Pyrrhus war einem Kampfe mit so
vielen Feinden nicht gewachsen. Er stand auf einem vulkanischen Bo-
den; es blieb ihm nichts übrig, als eine schnelle Entweichung oder
Kampf aus Leben und Tod. Da bestürmten ihn Abgeordnete der
Tarentiuer, Lucaner und Samniter zur schleunigen Rückkehr nach Ita-
lien. Er nahm ihr Hülfegesuch an, weil er mußte. Es sollte ihm
zum Deckmantel eines scheinbar ehrlichen Rückzuges dienen. Die Flotte
der Carthager versenkte bei der Ueberfahrt nach Italien 70 seiner
Kriegsschiffe und zerstreute oder kaperte die übrigen. Von 110 Ga-
leeren und einer weit stärkeren Anzahl von Last- und Frachtschiffen er-
reichten nur 12 die Küste von Italien in der Gegend zwischen Rhegium
und Lokri.
Die drei Kriege mit Rom (die sogenannten punischen Kriege) s.
unten in der römischen Geschichte.