1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Ix. Die Griechen.
richter entweder vom Könige bestellt, oder von den Parteien gewählt
werden können. Wie sehr aber gerade die Rechtspflege als dasjenige
Amt des Fürsten betrachtet werde, wodurch er sich am meisten um das
Volk verdient machen könne, beweisen viele Stellen. Odysseus weiß
keinen höheren Ruhm zu nennen, als den eines untadeligen Königs,
welcher gottcsfürchtig unter den Seinen waltend das gute Recht er-
hält und sichert: da bringt die Erde reichen Ertrag, die Bäume sind
voll von Früchten, die Heerden gedeihen und das Meer wimmelt von
Fischen. Denn der gerecht regierende König ist den Göttern wohlge-
fällig, weil er das Amt, welches er von ihnen überkommen, nach ihrem
Willen verwaltet.
Eine dritte Function des Königthnms ist die Anführung des
Heeres. In der Ilias sehen wir überall an der Spitze der Krieger
die Könige als Anführer, jeden über die Mannschaft seines Volkes;
nur wo ein König durch Krankheit oder ein hohes Alter zurückgehalten
ist, ersetzt ihn ein Anderer. Daß übrigens solche Stellvertreter oder
Unterbefehlshaber immer nur ans der Zahl der Häuptlinge oder der
Edcln, die ja selbst auch ßaoixrjeg heißen, zu denken sind, versteht sich
von selbst.
Zn den Functionen des Königthums müssen wir auch noch die Ver-
richtung von Staatsopfern hinznfügen, so viele derselben nicht priester-
liche sind. Wenn aber der König für das Volk opfert, so ist dies nicht
so anzusehen, als ob mit dem Königthum auch ein Priesterthum ver-
bunden wäre, sondern er thut das, weil er als Haupt der Staatsge-
nossenschaft in dem gleichen Vcrhältniß zu dieser steht, wie der Haus-
herr zu den Hausgenossen, und ein priesterliches Königthum ist in der
Staatsform wenigstens, die die homerischen Gedichte uns darstellen,
durchaus nicht anzuerkennen. Erscheint nichts desto weniger die könig-
liche Würde auch bei Homer als eine geheiligte, so beruht diese Heilig-
keit lediglich auf der Anerkennung, wie auch der Staat eine göttliche
Ordnung sei, und die ihm vorstehen durch den Willen der Götter dazu
erwählt und berufen seien. Daher kommt auch die Erblichkeit der kö-
niglichen Würde, die dem Hause, welches die Götter einmal erkoren
haben, nicht entzogen werden darf. Daß der Sohn dem Vater in der
Regierung folgen müsse, wird als allgemein anerkannter Grundsatz aus-
gesprochen; sind mehrere Söhne, so folgt natürlich der Erstgeborne;
doch kommen in alten Sagen auch Theilungen unter mehrere Brüder
vor, von denen dann aber wohl einer als Oberkönig den übrigen vor-
geht; denn mehrere gleichberechtigte neben einander sah man gewiß immer
als einen Uebelstand an, wie es auch Homer ausspricht: ovx uya&6v
nolvxolqaviri. Sind keine Söhne vorhanden, so geht das Reich auch
wohl durch eine Tochter ans den Eidam über, wie Menelaus durch die
Vermählung mit der Helena Nachfolger des Tyndareus in Lacedämon
geworden ist. Persönliche Tüchtigkeit ist ihm freilich unentbehrlich, und
wem diese abgeht, der thut wohl, dem Thron zu entsagen, wie es der