1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
70. Die Pisistratidcu.
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Um wies er als Festordner der Panathenäen ein attisches Mädchen von
der Ehre des Korbtragens zurück und zwar, wie man sagte, aus keinem
andern Grunde, als weil ihr Bruder Harmodius seine unreinen Guust-
bezcugungen verschmäht hatte. Dieser konnte den Schimpf seines Hau-
ses nicht vergessen. Mit Aristogitou und anderen Genossen stiftete er
eine Verschwörung zum Sturze der 'Tyrannen, welche bei dem Aufzuge
der großen Panathenäen zur Ausführung kommen sollte; war die That
geschehen, so konnte man der öffentlichen Billigung gewiß sein. Anfangs
ging Alles nach Wunsch. Das Volk drängte sich harmlos der Haupt-
straße zu und beide Brüder waren mitten darunter, Hippias draußen
im Kerameikos den Zug ordnend, Hipparch am Markte, als die Ver-
schwornen, die ihren Plan verrathen glaubten, in übereilter Wuth über
Hipparchus herstürzten; blutiges Handgemenge unterbrach das friedliche
Stiftungsfest, ohne daß der Zweck erreicht wurde. Denn der überle-
bende Bruder handelte fest und entschlossen. Ehe der uachrückende Zug
wußte, was geschehen sei, ließ er alle mit Schwertern heimlich Bewaff-
neten ergreifen. Schuldige und Unschuldige wurden gefoltert und ge-
tödtet; die bedrohte Herrschaft war von Neuem gesichert.
Das vergossene Bürgerblut brachte nur Unsegen; denn Hippias
glaubte sich nun zu einer anderen Regierungsweise berechtigt und genö-
thigt. Er benutzte die Gelegenheit, sich verhaßter Bürger zu entledigen
und die Güter der Verbannten einzuziehen. Mürrisch und argwöhnisch
zog er sich auf die Burg zurück, knüpfte mit asiatischen Tyrannen en-
gere Verbindungen und suchte auf alle Weise Geld zu erpressen. Er
gestattete einzelnen Bürgern, sich von den öffentlichen Lasten, namentlich
von den Ansgaben für die Festchöre loszukaufen, so daß die anderen
um so mehr gedrückt wurden.
So wurde aus der volksfreundlicheu Regierung der Pisistratiden
eine unerträgliche Zwingherrschaft; die ganze Regierungsweise wurde
immer verächtlicher, da sich nur unwürdige Personen zum Staatsdienste
hergaben. Die Alkmäoniden, welche sich bei der Wiederherstellung des
damals abgebrannten Tempels zu Delphi durch freigebige Förderung
des Baues die delphischen Behörden in hohem Grade verpflichtet hatten,
bestimmten diese, gegen die Pisistratiden offene Partei zu nehmen. Da-
durch sahen sich endlich auch die Spartaner bewogen, erst zu Wasser
ein Heer nach Athen zu senden und, nachdem dieses von der thessalischen
Reiterei der Pisistratiden geschlagen und zum großen Theile aufgerieben
war, ihren König Kleomenes mit einem zweiten Heere zu Laude in
Attika einrücken zu lassen. Hippias ward in seiner Burg eingeschlosseu,
und als seine Kinder, die heimlich außer Landes gebracht werden soll-
ten, den Belagerern in die Hände sielen, capitulirte er, um dieselben
zu retten, auf freien Abzug, nachdem er mit seinem Bruder 14, für sich
allein 3v2 Jahre regiert hatte.