1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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X. Die macedonischen Reiche.
zurück. „Wenn ich Alexander wäre," sagte Parmenio, „würde ich um
diesen Preis von weiteren Kriegen abstehen." „Auch ich," war die
Antwort, „wenn ich Parmenio wäre." Sein Streben war auf den
Besitz des ganzen Morgenlandes gerichtet; in Babylon und Susa wollte
er seinen glänzenden Herrschersitz aufschlagen. Ehe er aber dem flüch-
tigen Gegner über den Euphrat folgte, beschloß er zuerst das phönicische
Küstenland und Aegypten in seine Gewalt zu bringen, um diese wich-
tigen Länder, aus denen die Perser ihre Schisse und Seeleute zogen,
nicht unbesiegt im Rücken zu lassen.
Zwanzig Jahre waren vergangen, seitdem König Ochus und sein
Rathgeber Bagoas auf Sidon's Brandstätte und auf den zerstörten
Heiligthümern in Memphis die persische Herrschaft aufgerichtet; und
welche Früchte diese Blutsaat getragen, gab sich bei Alexanders Er-
scheinen sogleich kund. Denn nur die Inselstadt Tyrus leistete ihm
Widerstand. Die klugen Kaufleute, im Besitz einer ansehnlichen Flotte,
glaubten ihre feste Felseninsel gegen einen König ohne Seemacht so lange
behaupten zu können, bis Darius mit einem neuen Heere herbeikäme;
und welchen reichen Lohn würden sie dann von dem dankbaren Groß-
könig für ihre Treue erwarten dürfen! Alexander durfte die wichtige
Inselfeste nicht hinter sich lassen, sollte nicht sejn ganzes Werk gefährdet
sein. Irgend ein Unfall der Macedonier am Euphrat oder Nil wäre
für sie ein Zeichen zum Abfall gewesen, wodurch die Perser einen sichern
Stützpunkt zu feindlichen Unternehmungen und zu Verbindungen mit
Griechenland gehabt hätten. Darum wurde die Belagerung von
Tyrus beschlossen, eine der denkwürdigsten Wafsenthaten des Alterthnms.
Ueber den Meeresarm, welcher Jnseltyrus von der Altstadt trennte,
ließ Alexander mit unsäglicher Mühe einen Damm auffnhren, wozu er
Cedern vom Libanon und Steine von der verlassenen und zerstörten
Uferstadt verwendete. Wie sehr auch die Einwohner von ihren Mauern
und Schiffen durch Wurfgeschosse und Steine das Werk erschwerten,
geschützt von zwei hölzernen Thürmen mit Schirmdcckcn rückten die Ar-
beiter immer näher an das felsige Gestade der Insel. Während die
Soldaten von den Holzthürmen aus dem Damme die Mauern mit allen
Mitteln der Belagernngsknnst zu erschüttern und mit Wurfmaschinen
und Fallbrücken die Vertheidiger von den Zinnen zu vertreiben sich ab-
mühten, schloß die Flotte die Felseninsel zur Seeseite vollständig ein.
Aber die Tyrier leisteten verzweifelten Widerstand und trotzten den
Angriffen des Feindes mit Gegenerfindungen von eben so viel Kühnheit
als Geschicklichkeit. Sie schlossen die engen Hafenmündungen mit dich-
ten Reihen starker Kriegsschiffe und mit Sperrketten ab; sie verhinder-
ten die Annäherung der feindlichen Trieren durch Einsenknng großer
Stcinmassen; Taucher zerschnitten die Ankertaue der mit Schirmdächern
und Maschinen beladenen Fahrzeuge; durch kühne Ausfälle suchten sic
die Einschließung zu durchbrechen. Aber nach einer siebenmonatlichcn
Belagerung, die von beiden Seiten mit dem größten Aufwand von Kraft,
mechanischer Kunst und außerordentlichen Entwürfen geführt, Alles über-