1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
139. Das Decemvirat.
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denbuch, stellt sich sogleich heraus, wenn man ihre einzelnen Angaben
ins Auge faßt. Das römische Heer soll mit Sonnenuntergang von
Rom ausgezogen, um Mitternacht auf dem 8 Stunden entfernten Al-
gidus angekommen sein, während jeder Fußknecht außer seinen Waffen,
seinem Mundvorrath und seinem Gepäck noch zwölf Schanzpfähle zu
tragen hatte, — ohnehin eine unerträgliche Bürde für Truppen eines
allgemeinen Aufgebots, da selbst den abgehärteten Legionssoldatcn der
spätern Zeit nur drei bis vier, höchstens sieben solcher Pfähle zugemuthet
wurden. Noch mehr: dieses überbürdete, durch einen langen und be-
schwerlichen Nachtmarsch erschöpfte Heer soll im Stande gewesen sein,
den Rest der Nacht hindurch zu schanzen, ja, gar eine Pallisaden-Linie
um das feindliche Lager herum zu ziehen, das in seiner Mitte ein rö-
misches Lager einschloß. Am undenkbarsten aber ist, daß die Aequer
von der Nähe eines feindlichen Heeres nichts gemerkt, von den Ber-
schanzungen, die rings um sie her aufgeworfen wurden, nichts gesehen,
von dem Feldgeschrei, das über ihre Köpfe weg bis ins römische Lager
erscholl, nichts gehört —, oder wenn sie das Alles gehört und gesehen
hatten, die noch unvollendete Umschanzung nicht durchbrochen haben. Die
dichtende Volkssage freilich ließ sich durch solche Scrupel nicht stören,
aber für Geschichte kann ein solches Märchen nicht gelten.
139. Das Decemvirat.
(Nach Theod. Mommsen, römische Geschichte, und B. G. Niebuhr, römische
Geschichte, mit einer Einleitung ans Schwegler's römischer Geschichte.)
Der Kampf der römischen Stände zerfällt in zwei Perioden: die
Grenzscheide zwischen beiden bildet die Decemviral-Gesetzgebung. In
der ersten Periode hatten die Bestrebungen der Plebs eine andere Rich-
tung, als in der zweiten. Bis zum Decemvirat ging die Plebs nicht
darauf aus, Antheil an der Regierung, Zutritt zu den Staatsämtern
zu erlangen, im Gegentheil, ihr Bestreben ging während jenes Zeit-
raums auf Schutz, Vertheidigung und Abwehr. Für dieses Verhältniß
der Plebs zur patricischen Bürgerschaft ist nichts bezeichnender, als daß
der ursprüngliche Beruf des obersten Magistrats der Plebs nicht darin
bestand, zu befehlen oder zu regieren, sondern einzig darin, die Ange-
hörigen der Plebs gegen die patricischen Magistrate zu schützen, und
jeden Mißbrauch der consularischen Gewalt von ihnen abzuwehren.
Ebenso charakteristisch für den Geist der plebejischen Bestrebungen vor
dem Decemvirat ist die Terentilische Rogation, welche beantragte, daß
die consularische Amts- und Strafgewalt, so weit sie sich auf die Plebs
erstrecke, durch geschriebene Gesetze beschränkt werden solle, und zwar solle
die Plebs zu bestimmen haben, wie viel Gewalt sie dem Consul über
sich einräumen wolle. Die Lex Terentilia hat folglich nichts weniger,
als jene gemeinschaftliche Gesetzgebung, die später aus ihr hervorging,