1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Xi. Die Römer.
fallt ausgekundschaftet und war mit dem Heere in ein tiefes ringsum-
schlossenes Thal hinabgezogcn, als man auf den Anhöhen, die es
beherrschten, das feindliche Heer wahrnahm, das jetzt die Römer wie
im Garne gefangen zu haben schien. In dieser Bestürzung erbot sich
ein junger Oberster, P. Decins, eine vom Feinde unbesetzt gebliebene
Bergspitze mit ein Paar tausend Mann zu erklimmen, und da diese das
samnitische Lager ebenso beherrschte, wie das Lager das Thal, von der
Bergspitze ans die Feinde im Schach zu halten, so daß sie den Abzug
des Heeres ans der höchst gefährlichen Tiefe nicht hindern oder beun-
ruhigen könnten. Dies führte er nicht nur ans, und zwar mit solcher
Behendigkeit und Umsicht, daß die Feinde weder die Besitznahme der
Bergspitze, noch den Abzug des Consuls mit den Legionen und die La-
gerung in gesicherter Stellung zu verhindern vermochten, sondern er
drang auch in der folgenden Nacht zwischen den Posten der meist schla-
fenden Feinde mit seiner muthigen Schaar durch auf dem Wege zum
römischen Lager, wohin er mit Tagesanbruch einen Boten mit der Nach-
richt sandte, daß er seine Leute alle wohlbehalten znrückbringe. Auf
die Botschaft, daß die, welche sich für Aller Heil dem Tode dargeboten,
erhalten und nahe wären, eilte ihnen Alles entgegen; der Tribun zog
im Glanz eines freiwilligen Triumphs in das Lager ein, und der Consul
begrüßte ihn mit öffentlichem Dank. Aber Decins unterbrach die mü-
ßige Lobrede, es sei Zeit, der Feinde Bestürzung zu benutzen. Unge-
säumt sollen die Legionen gegen die -Feinde geführt, viele Feinde zer-
streut, niedergemacht, viele entflohen sein; 30,000, die sich in das Lager
geworfen, wären allzumal darin niedcrgehauen worden. Auch abgesehen
von der augenscheinlichen Uebertreibung der Zahl, erscheint dieser Sieg
zweifelhaft, weil nicht auf die entfernteste Weise angebeutet wird, daß
der Zweck des Zuges, Samniums Verheerung, verfolgt ward. Der
Triumph des Consuls beweis't ihn nicht, denn er theilte ohne Zweifel
die Schlacht von Suessula.
Erfreulich ist es, die Belohnungen, welche Decins und die Seinigen
empfingen, nach dem römischen Geschichtschreiber zu erzählen. Der
Tribun erhielt, außer andern gewöhnlichen Ehrenzeichen, einen goldenen
Kranz, 100 Rinder und einen ausgezeichneten weißen Stier mit vergol-
deten Hörnern. Die Soldaten empfingen auf immer doppelte Portio-
nen, jeder zwei Kleider und einen Ochsen. Die Armee, das Geschenk
des Consuls mit lautem Rufen billigend, überreichte Decins einen von
Gras gewundenen Kranz, den Ehrenlohn desjenigen, der eine Schaar
aus Feindes Gewalt und Belagerung befreite, einen gleichen weihten
ihm seine Gefährten. Er brachte den Opferstier dem Kriegsgott dar,
die 100 Rinder schenkte er seinen Soldaten, und um ihr Fest zu voll-
enden, gab jeder Soldat des übrigen Heeres ihnen ein Pfund Korn
und einen Schoppen Wein.
Gegen Suessula mögen beide römische Heere unter Valerius'
Oberbefehl vereinigt gewesen sein. Dort hatte sich das am Gaurns
geschlagene Heer gesetzt, zahlreiche Verstärkungen ausgenommen, und er-