1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
748
Xi. Die Römer.
während gleichzeitig der Cäsar des Maximian, Constantius Chlorus, das
abgefallene Britannien wieder zum Reiche gebracht, war doppelt erzürnt
darüber, daß am Euphrat allein die römischen Waffen im Nachtheil
sein sollten. Auf seiner Rückkehr begegnete ihm in Syrien der geschla-
gene Cäsar; er ließ ihn im Purpurmantel, wie er war, eine Millie
weit neben seinem Wagen herlaufen, Angesichts der Soldaten und des
Hofes. Mehr als irgend etwas bezeichnet dieser Zug den wahren Ton
der Diocletianischen Herrschaft. Und die Ergebenheit des Galerius wird
dadurch nicht im Geringsten erschüttert; sein einziges Verlangen ist die
Erlaubniß, die Schmach durch Siege auslöscheu zu dürfen. Nun müs-
sen statt der weniger tauglichen Asiaten die unbesiegbaren Illyrier aus-
rücken, nebst einer Hülfsschaar geworbener Gothen, alles gerechnet nur
25,000 Mann, aber von der tüchtigsten Art. Dießmal wandte sich
Galerius jenseit des Euphrat in das bergige Armenien, wo er das
Volk der römischen Sache günstig fand und wo die meist aus Reitern
bestehenden persischen Heere ihm viel weniger furchtbar sein konnten als
beim Kampf in der Ebene. (Das Fußvolk galt nämlich bei den Per-
sern nur als Troß.) Er selbst kundschaftete bloß mit zwei Begleitern das
sorglose persische Lager aus, und überfiel cs dann plötzlich. Der Er-
folg war ein ungeheurer; nach einem allgemeinen Gemetzel floh König
Narscs verwundet nach Medien; seine und seiner Großen Gezelte fielen
mit reichlicher Beute in die Hände der Sieger, und auch seine Frauen
nebst mehreren Verwandten wurden gefangen. Galerius schloß einen
Vertrag ab, in welchem Narses fünf Provinzen, nämlich das Kurden-
land und das ganze obere Tigrisgebiet bis an den Wansee abtrat.
Damit war den Römern auch ihr älterer Besitz, der obere Euphrat,
gesichert, und vor das römische Schutzreich Armenien gleichsam ein Wall
'hingebaut. Auch der König von Iberien sollte fortan Vasall der Römer
sein, eine wichtige Verfügung, weil dieses rauhe, von Armenien nörd-
lich gelegene Bergland (es entspricht etwa dem jetzigen Georgien) mit
seinen kriegerischen Bewohnern eine Vorwacht gegen die Barbaren von
jenseit des Kaukasus abgeben konnte. Die ganze Grenze wurde nun
mit Festungen und Garnisonen versehen. Es folgte eine Zeit der Ruhe
für Vorder-Asien, welche fast 40 Jahre, bis gegen das Lebensende
Constantin's hin, dauerte. Die siegreichen Kaiser ahnten wohl nicht,
daß sie auch mit diesen großen Erfolgen wesentlich der ruhigen Ver-
breitung des verhaßten Christenthums die Wege geebnet hatten.
In mehr als einer Hinsicht hat Diocletian mit dem alten römischen
Wesen gebrochen. Nicht sowohl aus eitler Liebe zum Pomp, als um
sein Ansehen und die künstliche Harmonie mit seinen Collegen aufrecht
zu erhalten, nimmt er orientalisches Hofceremoniel an, wodurch der Zu-
tritt zu seiner geheiligten Person täglich schwieriger wurde. Auch nannte
er sich nicht mehr nach den so harmlos gewordenen Titeln des repu-
blikanischen Roms, sondern er hieß jetzt Dominus, der Herr.
Wenn die Kaisermacht einmal aus Rücksicht auf die Grenzverthei-
digung getheilt werden sollte, so konnte Rom unmöglich der Wohnsitz