1861 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
195. Constantin der Große.
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ein und belagerte ihn hier, freilich vergeblich, bis er ihn durch einen
Seesieg seines Sohnes Crispus zwang, sich nach Asien zu werfen, wo
er endlich in seine Hände fiel und bald wegen angeblicher Verrätherei
hingerichtet ward. So gelangte Constantin der Große zur Al-
leinherrschaft im römischen Reiche (324).
Constantin der Große wurde, wie einst Octavian, der Hersteller des
inneren Friedens nach langdauernden Bürgerkriegen. Mit Besonnen-
heit und reger Thatkraft hatte er nicht nur seine Gegenkaiser bemeistert
und dem Reiche noch einmal die politische Einheit wiedcrgegeben, son-
dern er setzte auch den religiösen Parteiungen, welche gleichzeitig den
Staat zerrütteten, ein Ziel, indem er das Christenthum, dem schon
die Mehrzahl der Einwohner desselben angehörte, zur (alleinigen)
Staatsreligion erhob. Politik wie Uebcrzcugnng hatten ihn all-
mählich für die christliche Religion gewonnen, doch nahm er erst im
letzten Jahre seines Lebens das äußere Zeichen derselben, die Taufe, an.
Als Constantin eben die Alleinherrschaft gewonnen hatte, bestimmte
er Byzanz zu seiner künftigen Hauptstadt und Residenz (324). Ein
dauernder Aufenthalt in Rom paßte noch weniger für die Zeitverhält-
nisse und Pläne Constantin's als Diocletian's. Ward Constantin auch
nach der Besiegung des Maxentius in der großen Schlacht an der mul-
vischen Brücke als Befreier Italiens begrüßt (312), so wollte er doch
so wenig eine Herrschaft des römischen Senats, als der Prätorianer.
Nur selten nahm auch er wie Diocletian seitdem seinen Aufenthalt in
Rom. Von Byzanz aus gedachte er einst das Reich zu beherrschen;
in dem Kriege mit Licinius hatte er erkannt, wie stark diese Stadt von
Natur gegen jeden feindlichen Angriff gesichert und wie günstig dieselbe
zugleich für einen großartigen friedlichen Verkehr gelegen war, so daß
sie von Natur zum Mittelpunkte einer großen Monarchie bestimmt zu
sein schien. Wie Diocletian von Nicomedien, konnte Constantin von
hier aus die Perser und die Gothen beobachten, die das Reich mit grö-
ßerer Gefahr zu bedrohen schienen, als die vereinzelten deutschen Stämme
im Westen des Reiches. Die neue Hauptstadt, welche Constantin das
zweite oder Neu-Rom benannte, die aber bald nur nach dem Na-
men ihres Gründers Constantinopel genannt wurde, erhob sich
durch ihre natürlichen Vorthcile und als dauernder Sitz der Herrscher;
ehe ein Jahrhundert verging, machte sie durch ihre Volksmenge wie
ihren Reichthum Rom den ersten Rang streitig.
Constantin hatte die neue Residenz von Anfang her zum Mittel-
punkte einer neuen bürgerlichen und militärischen Reichscinrichtnng be-
stimmt. Der orientalische Despotismus, den Diocletian im römischen
Reiche begründet hatte, wurde durch Constantin (und zum Theil durch
seine Nachfolger) systematisch ausgebildet. Die Gunst des Herrschers
und die Ehre, die von ihm ausging, sollten forthin die Beweggründe
zu jeder Thätigkeit im Dienste des Staates sein, weil es der Patrio-
tismus längst nicht mehr war. Um jeden Umsturz der Regierungsge-
walt zu verhindern, wurde ein Heer von Beamten geschaffen, deren