1838 -
Lüneburg
: Herold und Wahlstab
- Autor: Havemann, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 1
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1838
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Lüneburg
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Erstes Buch. Dritter Abschnitt.
reichliche Schenkungen sich vor dem Fluche der Kirche retten, welcher mehr
gefürchtet wurde, als der Spruch des Gerichts oder das Drohen des Lan-
desherrn. Ein glanzender, prunkender Gottesdienst fesselte das Volk; Ab-
laßbriefe verliehen einzelnen Klöstern neue Mittel des Erwerbes; die Wall-
fahrten nach heiligen Statten mehrten sich.
Mit besonderer Feierlichkeit wurde in Braunschweig das Fest des städ-
tischen Schutzpatrons, des heiligen Autor, begangen. Der Rath der fünf
Weichbilde, aus denen die Stadt bestand, folgte dem Heiligthum mit bren-
nenden Wachslichtern; in langer Procession schlossen sich Schüler und
Bürger ihm an. .//. • m
Auf diese Weise und vermöge der Sinnlichkeit des Volkes mehrte
sich die Gewalt der Geistlichkeit. Als in der Mitte des fünfzehnten Jahr-
hunderts der große Tod durch ganz Deutschland wüthete und man in
dem Erscheinen dieser gräßlichen Krankheit eine Strafe des Himmels we-
gen des sündigen Wandels der Menschen erblicken zu müssen glaubte, 1ha-
ten sich Geistliche und Weltliche zusammen und durchwanderten unter Ab-
si'ngung von Liedern und steten Geißelungen die Landschaften. Durch
Geißelfahrten dieser Art glaubte man den Zorn des Höchsten zu ver-
söhnen. Dieses Unwesen dauerte geraume Zeit, bis endlich kirchliche und
weltliche Machthaber durch strenge Satzungen diesen Verirrungen des
menschlichen Geistes ein Ziel setzten.
Weil die Kaiser sich häufig zu schwach fühlten, um in allen Theilen
Deutschlands die Reichsgesetze aufrecht zu erhalten, und gegen die einzelnen
Landesherren wiederum eine mächtige aufburgen und Aftervasallen trotzende
Ritterschaft sich erhob, konnte der Friede nur matt gehandhabt werden.
Der Adel, welcher sich zum Fehdeleben vorzugsweise berufen fühlte, ver-
schmähte jede unthatige Ruhe. Gegen den Fürsten und die aufblühenden
Städte führte er einen unablässigen Kampf. Von ihm mußte der Bürger
das sichere Geleit erkaufen, falls er feine Waaren nicht genommen, sich
selbst nicht der Freiheit beraubt sehen wollte. Ein Lagern auf den Straßen,
ein Ueberfallen des friedlichen Wanderers schien so wenig schimpflich, daß
auch die edelsten Geschlechter unseres Landes sich daran erfreuten. Keine,
selbst nicht die schimpflichste Todesart konnte.sie von dieser Lieblingsbeschäf-
tigung abschrecken. Deßhalb vereinten sich mehrfach Fürsten und Bischöfe,
denen das Wohl ihrer Unterthanen am Herzen lag, zur Aufrechthaltung
des Landfriedens durch Gewalt der Waffen; aber auch diese Verbindungen
konnten ihren Zweck nur theilweise erreichen, und die unrechtmäßigen Be-
fehdungen dauerten zugleich mit dem Wegelagern fort. Dieses mochte theil-
weise seinen Grund in der Besorgniß der Fürsten vor der wachsenden Macht