1838 -
Lüneburg
: Herold und Wahlstab
- Autor: Havemann, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 1
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1838
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Lüneburg
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Achtes Kapitel.
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der Städte haben, die sie nur durch Unterstützung der Ritterschaft zu be-
schranken hoffen konnten. Mit um so größerer Entschiedenheit handelten
die geistlichen Machthaber, gegen Landfriedensbrecher; aber ihr Arm war
zu schwach; die Gegner zu sehr verzweigt, häufig voll Zuversicht auf den
Schutz ihres Landesherrn.
Dagegen übte der geheime Gerichtshof der heiligen Vehme, an deren
Spitze mächtige Gebieter zu stehen pflegten, gegen Verbrecher jeder Art eine
Gewalt aus, die um so mehr gefürchtet wurde, als man sich ihr, der ver-
borgenen , nur schwer entziehen konnte. Dieses Gericht, dessen Beisitzer
Vehmgenossen, Wissende genannt wurden, ließ den rasch gefällten
Spruch eben so rasch vollziehen; es wurde abwechselnd in den verschieden-
sten Gegenden unseres Landes gehegt.
Zu rascher Blüthe erhoben sich während dieses Zeitraums die Städte,
in denen die vielfach gedrückten unteren Stände sich des Schutzes der Ge-
rechtigkeit und eines unbeläftigten Verkehrs zu erfreuen hatten. Nur durch
unverrücktes Streben nach dem einigen Ziel der Freiheit ihrer Stadt, welche
sie durch erkaufte oder geschenkte Zugeständnisse des Landesherm begründe-
ten, konnten die Bürger erstarken. Gerade daß sie sich nimmer einer sorg-
losen Ruhe ergeben durften, sondern vor der Feindschaft der Burgherren im-
mer auf der Hut sein mußten, verlieh ihnen einen rüstigen, unerschrockenen,
ausdauernden Sinn. Weil die errungene Freiheit nur durch Waffen be-
hauptet werden konnte, lernten die Bewohner der Städte frühzeitig sich
derselben bedienen. In Genossenschaften geordnet, zogen sie in den Streit,
an ihrer Spitze gewöhnlich ein kampferfahrener Edler, welcher das Amt ei-
nes Stadthauptmanns bekleidete. Außer den Mauern und Thürmen schütz-
ten Landwehren die Stadt und deren Weichbild. Auch die kleineren Städte
unseres Landes wurden in dieser Zeit mit genügenden Befestigungen ver-
sehen. Der durch den Handel erworbene Reichthum ließ nicht allein diese
Kosten bestreiten, sondern bot auch die Mittel zum Aufbau prächtiger Kir-
chen und geschmackvoll aufgeführter Rathhäuser. Der Bürger war stolz
auf den Schutz, welchen ihm ein entweder selbst durchgebildetes, oder von
Schwesterstädten entlehntes Recht verhieß. Die Bestimmungen desselben
dienten dazu, das Selbstbewußtsein des Einzelnen zu nähren; nur schlechte,
feige Handlungen, als Diebstahl und Verläumdung, wurden mit Strenge
geahndet; solche, welche mehr aus dem Gefühl ungebändigter Kraft her-
vorgingen, oder in der Heftigkeit der Leidenschaften begangen wurden, konn-
ten durch Geld gebüßt werden. Die meisten größeren Städte unseres Lan-
des kauften sich nach und nach von der Gerichtsbarkeit des fürstlichen Voigts
los, so daß selbst der Blutbann in die Hände der selbstgewählten Raths-