1838 -
Lüneburg
: Herold und Wahlstab
- Autor: Havemann, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 1
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1838
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Lüneburg
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
106 Erstes Buch. Fünfter Abschnitt.
ziehe, mit der Verweichlichung aber die großartige Liebe für Freiheit er-
sterbe. Statt der von ihren Gildeherren geführten Bürger sorgten jetzt
gedungene Knechte für den Schutz der Stadt. Die alte Hartnäckigkeit
schwand, mit welcher sie ihre Rechte gegen die Eingriffe der Fürsten wahr-
genommen hatten. Und doch mußte gerade jetzt, da der Landesherr in
Folge der Säkularisationen der städtischen Anleihen nicht mehr bedurfte,
ein inniges, festes Zusammenhalten gegen die herrischen Forderungen der
fürstlichen Räche erforderlich scheinen. Nur Braunschweig blieb auch jetzt
sich treu und wahrte seine Vorrechte mit männlichem Muthe.
Die Hanfe hatte durch den Argwohn, mit welchem sich die einzelnen
Glieder dieses großen Bundes in ihren Handelsunternehmungen bewachten,
die frühere Kraft und Selbstständigkeit eingebüßt; bei fast allen Städten
regte sich eine verderbliche Eifersucht gegen die Dictatur, welche von Lübeck
ausgeübt wurde. Aber selbst unter diesen widrigen Verhältnissen hätten
die Städte vermöge des durch sie geleiteten Handels und der dadurch er-
worbenen Reichthümer die frühere unabhängige Stellung nicht so rasch
einbüßen können, wenn nicht durch ein Ereigniß anderer Art ihre Kraft
gelähmt worden wäre. Dieses war der durch die Umschiffung Afrika's
und die Entdeckung Amerikas so völlig veränderte Handelsweg. Hatten
schon früher die Reiche Schweden und Dännemark den Verkehr auf der
Ostsee zum größeren Theile an sich gerissen, so mußte der Verlust des ost-
indischen Handels, welcher bisher in Venedig und Genua seinen Stapel
gehabt hatte, und sich von hier nach dem Norden Deutschlands bewegte,
um so empfindlicher wirken. Seitdem bemächtigte sich Spanien, dann
Antwerpen des Waarenzuges, und das Erwachen Englands unter der Re-
gierung seiner großen Elisabeth versetzte den deutschen Seestädten den To-
desstoß.
Die Städte der braunschweigisch-lüneburgischen Lande standen auf
einem Höhepunkte, der, weil er ein ferneres Steigen untersagte, nothwen-
dig zum Sinken führen mußte. Aber der fröhliche Sinn ihrer Bürger
ahnete die Ergebnisse einer nahen Zukunft nicht. Auch sie hatten durch
die Reformation das gemeine Wesen verbessert, indem die Güter mancher
innerhalb ihrer Mauern gelegenen Klöster in den Stadtseckel geflossen wa-
ren. Feste folgten auf Feste; mit ungewöhnlicher Pracht wurde der Lan-
desherr empfangen und bewirthet; es griff der Rath zu den verschiedensten
Mitteln, um den übermäßigen Aufwand, den Vorboten des Verderbens,
zu beschränken, ohne daß der Erfolg den Erwartungen entsprochen hätte.
Folgte doch der Bürger hierin nur dem Beispiele des Adels, welcher den
Ertrag seiner Güter in der Residenz vergeudete, ohne zu gewahren, daß er