1838 -
Lüneburg
: Herold und Wahlstab
- Autor: Havemann, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 1
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1838
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Lüneburg
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
110 Zweites Buch. Erster Abschnitt.
neu und ein plötzlich herabströmender Platzregen ihr Unternehmen derge-
stalt begünstigte, daß die Söldner nach großem Verluste ihr Heil in der
Flucht suchen mußten. Seitdem beschrankte sich Heinrich Julius auf die
Belagerung der immer enger eingeschlossencn Stadt, deren Straßen durch
die abgedammte Oker unter Wasser gesetzt wurden. Noch hatte der Sieg
auf keine Seite sich geneigt, als durch Vermittelung des Herzogs Ernst li.
von Lüneburg 1606 ein Waffenstillstand zwischen den streitenden Theilen
geschlossen wurde. Doch war die gegenseitige Erbitterung zu groß, als daß
nicht bald der Kampf von Neuem ausbrechen sollte. Da gelang es dem
Herzoge, den Ausspruch der Acht über die Stadt zu bewirken. Wie er
nun, um die Vollziehung derselben zu betreiben, sich an den Kaiserhof nach
Prag begab, woselbst ec des vollsten Vertrauens von Rudolph Ii. theilhaf-
tig wurde, ereilte ihn hier 1613 der Tod.
Nach dem Absterben von Heinrich Julius übernahm dessen Sohn
Friedrich Ulrich die Regierung, ein charakterloser, nur äußeren Ergötzlich-
keiten sich hingebender Jüngling, dem die Kraft der Heinriche, die Fröm-
migkeit von Julius, die Staatöklugheit und Gelehrsamkeit seines Vaters
abging. Immer herber drückten die Schulden auf das Land, welches
auf gleiche Weise durch Verschlechterung der Münze und den Wucher der
Juden litt. Schon 1615 wurde Braunschweig abermals belagert; nieder-
ländische Knechte, welche der Stadt zu Hülfe gesandt waren, verheerten das
Land zwischen Deister und Leine; dennoch glaubte der Herzog den Vorstel-
lungen der Hanse nicht nachgeben zu dürfen. Um so heftiger entbrannte der
Kampf, dessen Opfer auch Victor, der letzte Graf von Wustrotp, wurde,
der heftigste Widersacher städtischer Freiheit. Hansische Hülfe hob den sin-
kenden Muth der Stadt. Erst nach dreimonatlicher Belagerung kam 1615
der Friede in Steterburg dahin zu Stande, daß der Herzog die Freiheiten
der Stadt bekräftigte, diese dagegen sich zur Erbhuldigung bereit erklärte.
Doch wurden hiermit die Besorgnisse des gesammten Landes keineswegs
gehoben. Zu schwach und unlustig, sich der Regierung selbst anzunehmen,
hatte Friedrich Ulrich diese den Händen des Anton von Streithorst überge-
den, der alsbald alle Aemter von Bedeutung nur an solche Männer über-
trug, welche ihm vollkommen ergeben waren, und, anstatt auf das Wohl
der Unterthanen Rücksicht zu nehmen, nur die eigene Bereicherung vor
Augen hatten. So weit ging die Freiheit dieser hochgestellten Günstlinge,
daß sie den Fürsten sammt seinem Hofstaate auf eine unwürdige Art dar-
den ließen, wahrend sie selbst in Ergötzlichkeiten schwelgten. Endlich bildete
sich gegen Anton von Streithorst eine mächtige Gegenpartei am Hofe, an
deren Spitze die Herzogin-Mutter und der Hofprediger Basilius Sattler