1838 -
Lüneburg
: Herold und Wahlstab
- Autor: Havemann, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 1
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1838
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Lüneburg
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Fünftes Kapitel.
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Bestreben der Machthaber angewandte Gewalt konnte nicht immer ohne
Wirkung bleiben. Die sammtlichen Bewohner von Duderstadt, welches
bis dahin nur einzelne Katholiken gezahlt hatte, besuchten 1629 die Messe,
durch Jesuiten dazu getrieben, welche von der bewaffneten Macht unterstützt
wurden. Kein Mittel lag diesem Orden zu fern, wenn er durch dasselbe
die Vertilgung der Ketzerei zu erreichen hoffen durfte. Trotz der gegen sie
rege gewordenen Erbitterung der Bürgerschaft hatten sich die Jesuiten in
Hildesheim der bedeutendsten Geschenke dortiger Bischöfe zu erfreuen. Wer
diesen schlauen Männern die Larve abzuziehen wagte, hatte mit den heftig-
sten Verfolgungen zu kämpfen, oder endete, gleich dem zu Steuerwald ge-
fangen gehaltenen evangelischen Prediger Bissendorf, durch die Hand des
Nachrichters. Durch sie wurde die protestantische Geistlichkeit aus dem
ganzen Stifte vertrieben; sie waren es, die in Hameln nach Verbannung
der Prediger und Schuldiener den Dienst der Kirche und Schule verrich-
teten.
Wahrend der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts wurden
weltliche und geistliche Richter vorzugsweise von s. g. Hexenprocessen in
Anspruch genommen, deren Ergebnisse darthun sollten, daß Frauen in einer
fluchwürdigen Gemeinschaft mit unbekannten Machten stünden. Unglück
jeglicher Art, welches den Nachbar oder die Gemeine betraf, schrieb man
dem Einflüsse dieser Hexen zu, über deren Aufnahme in den Teufelsbund,
ihre nächtlichen Zusammenkünfte und widerlichen Gelage man aufs ge-
naueste unterrichtet zu sein glaubte. Die solchen Beginnens Ueberführten
traf unerbittlich der Flammentod. Für das Fürstenthum Calenberg war
die Opferstatte dieser Unglücklichen vor dem Lechelnholze bei Wolfenbüttel.
In fast allen Theilen unfers Landes waren die Gerichte mit der An-
wendung der peinlichen Frage thatig, um die Schuldigen ausfindig zu
machen.
In Folge des dreißigjährigen Krieges war, mit Ausnahme des ein-
zigen Braunschweig, der Wohlstand der Städte so tief erschüttert, daß sie
auf jeden Versuch zur Wiedererlangung ihrer früheren Unabhängigkeit
verzichten mußten. Die einst so gefürchteten Zünfte sanken zu ohnmäch-
tigen Verbindungen herab. Die Vernichtung von Magdeburg, der Ver-
lust der Freiheit von Seiten der Stadt Erfurt hatte den Landverkehr ge-
brochen ; die an der Weser und Elbe angelegten Zölle verminderten den
Handel auf dem Wasserwege-, der kümmerliche Austausch der Maaren,
welcher den Städten noch geblieben war, ging in die Hände der Juden
über. Der Bürger fühlte sich seinem Landesherrn entfremdet; das frühere
innige Verhaltniß zwischen Hof und Stadt ging unter. Kurz vor dem