1838 -
Lüneburg
: Herold und Wahlstab
- Autor: Havemann, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 1
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1838
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Braunschweig, Lüneburg
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Braunschweig/Hannover
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Zweites Buch. Erster Abschnitt.
dreißigjährigen Kriege glaubte die Obrigkeit durch immer erneute Verord-
nungen einer unmäßigen Prunksucht, die sich in kostbaren Kleidern und
zahlreich besuchten Gelagen aussprach, entgegenwicken zu müssen. Da
überzogen Ligistische und Kaiserliche das sorglose Land, und nährten sich
von dem Gute der Städter. Die Durchzüge der Tillyschen Regimenter
verwandelten das kleine, aber gewerbreiche Städtchen Dransfeld in eine
Einöde; der größere Theil von Göttingen stand bei'm Schlüsse des Krie-
ges unbewohnt, das gemeine Wesen wurde von einer Schuldenlast ge-
drückt, die jeden Versuch zum Aufschwünge vereitelte. Die gesammte Be-
völkerung von Nordheim war auf 150 Bürger geschmolzen; ein ähnliches
Verhältniß zeigte sich in Verden; der Glanz von Goslar war seit der
schwedischen Besatzung für immer verloren. Hatte auch Lüneburg weni-
ger gelitten, als die südlichen Städte, so war es doch nicht mehr, wie
früher, im Stande, die Erziehung und Ausbildung von Fürstensöhnen
aus seinem Seckel zu unterstützen. Es mußte sich vielmehr gefallen las-
sen, daß fürstliche Söldner innerhalb seiner Mauern lagen, und Herzog
Friedrich durfte den Befehl erlassen, daß zugleich mit den Patriciern den
Bürgerr der Eintritt in den Rath verstattet werde. Auf eine besonders
glückliche Weise hatte sich Hannover den Drangsalen des Krieges zu ent-
ziehen gewußt; dem Könige Christian Iv. von Dannemark hatte die dor-
tige Bürgerschaft den Einzug abgeschlagen, den gefürchteten Tilly durch
Geld abgekauft. Die energische Entschlossenheit des Raths entzog die
Stadt dem Schicksale Göttingens und Nordheims, und gestattete dem
großherzigen Johann Duve, an den Ausbau und die Verschönerung der-
selben zu denken.
Hatte auch Braunschweig durch den verderblichen Krieg weniger ge-
litten, als die Schwesterstädte, und inmitten aller auf sie einbrechenden
Stürme seine Freiheit behaupten können, so blieb es dagegen von inne-
ren Unruhen, welche die Grundfesten seiner Macht erschütterten, keines-
weges verschont. 'In den fünf Weichbilden dieser Stadt wurde der
Rath ausschließlich von Stadtjunkern besetzt, deren Regiment jedoch von den
Bürgerhauptleuten, den Repräsentanten der Innungen, beaufsichtigt wurde.
Gegen die Anmaßung dieser Patriciec erhoben sich zu fast allen Zeiten
laute Beschwerden, die jedoch nie so bitter geführt wurden, als da der
durch seine Kenntniß des Rechts und die glückliche Leitung verschiedener
städtischer Angelegenheiten am Kaiserhofe zu Prag ausgezeichnete Henning
Brabant sich der Gemeine gegen den Uebermuth der Geschlechter annahm.
Man übersah damals nur zu sehr, daß die Patricier es waren, welche, da
sie zugleich, vermöge ihrer Besitzungen auf dem flachen Lande, im Le-