1855 -
Langensalza
: Schulbuchh. des Th[üringer] L[ehrer]v[ereins]
- Autor: Prätorius, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Interim.
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der Kaiser so zornig, daß er des Reiches Acht und Aberacht über die
Stadt aussprach und den Kurfürsten von Brandenburg und Moritz von
Sachsen gebot, dieselbe zu vollstrecken (1549). Da war die Sache der
Protestanten in der höchsten Gefahr. Das Concilium war wieder von
Bologna nach Trient verlegt worden und dort sollte jetzt der Protestan-
tismus gerichtet werden; der Kaiser aber begab sich nach Jnsbruck, um
der Kirchenversammlung nahe zu sein.
Moritz von Sachsen gegen den Kaiser.
Die Seele des Kurfürsten Moritz von Sachsen war inzwischen mit
sich selbst in Zerwürfniß gerathen. Wohl mochte dieser in einsamen
Stunden bedenken, daß nicht nur die evangelische Lehre, welche ihm sehr
werth und theuer war, sondern auch die deutsche Freiheit und Verfassung
gänzlich verloren gehen und der Willkür des allgewaltigen Kaisers
erliegen müsse; auch mochte es ihn schmerzen, daß dieser seinen Schwieger-
vater, den Landgrafen von Hessen, dem er seine Freiheit verbürgt hatte, immer
noch in Haft hielt — genug, es reifte in ihm der Entschluß, dem Kaiser
entgegen zu treten, und derselbe ward rasch zur That. Unter dem Vor-
wände, die Reichsacht an der Stadt Magdeburg zu vollziehen, hatte der
Kurfürst ein bedeutendes Heer geworben. Im Geheimen aber machte er
ein Bündniß mit dem Könige Heinrich Vi. von Frankreich, dem
Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, dem Herzoge Johann
Albrecht von Mecklenburg und dem Landgrafen Wilhelm von Hessen
(seinem Schwager), schloß mit Magdeburg einen Waffenstillstand und
brach im Frühling des Jahres 1552 plötzlich nach dem südlichen Deutsch-
land auf, dem Kaiser entgegen. Vor ihm her ging eine Proklamation
des Inhalts: „Der Kaiser nehme die Religion nur zum Deckmantel
seiner Willkür; halte den Landgrafen gegen alles Recht gefangen; habe
die Reichsinsiegel fremden Personen vertraut, die weder mit der Sprache
noch dem Rechte in Deutschland bekannt wären; habe gegen seinen Schwur
fremde Krieger in das Land geführt, durch welche die armen Unterthanen
in Grund und Boden verderbt und auf alle Weise mißhandelt würden;
sei einzig darauf bedacht, der deutschen Nation eine schändliche, ja thie-
rische Knechtschaft aufzubürden, daher die Nachkommen, wenn man nicht
diesen Strom aufhielt, eine gerechte Ursache haben würden, die Feigheit
und Nachlässigkeit gegenwärtiger Zeiten zu verabscheuen, in welcher das
edelste Kleinod des Vaterlandes, seine Freiheit, verloren gegangen sei."