1855 -
Langensalza
: Schulbuchh. des Th[üringer] L[ehrer]v[ereins]
- Autor: Prätorius, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
274 Zweiter Abschn. Don dem westfälischen Frieden biê aus die neueste Zeit.
Auch gab Napoleon den Fürsten von Baiern, Wurtemberg und Baden
die Souverainität (die Unabhängigkeit von dem Kaiser) und überdies;
den beiden ersten noch die Königswürde, was auch der Kaiser Franz aner-
kannte. Ucberhaupt schaltete und waltete Napoleon in Deutschland jetzt völlig
willkürlich. Seinen Schwager Jochaim Murat machte er zum Großher-
zoge von Berg und dem Großherzoge von Baden nahm er die wichtige
Festung Kehl am rechten Rheinufer. Bei den kleineren Fürsten Deutsch-
lands aber begründete sich die Meinung, daß ihr Heil von dem gewal-
tigen Herrscher der Franzosen zu erwarten sei. Am 12. Juli 1806
traten scchszehn deutsche Fürsten, die bisher Stände des deutschen Reichs
gewesen waren, zusammen und stifteten den Rheinbund, als dessen
Protektor (Beschützer) sie den Kaiser der Franzosen erklärten, von dem
sie dagegen als souveraine Fürsten anerkannt wurden. Die Mitglieder
dieses Bundes waren: Baiern, Würtemberg, Baden, der Kurerzkanzler,
als Fürst-Primas des Bundes, der Großherzog von Berg (Murat),
Hessen-Darmstadt, Nassau-Usingen, Nassau-Weilburg, Hohenzollern-Hechin-
gen und Sigmaringen, Salm-Salm und Kyrburg, Jsenburg-Birstein,
der Herzog von Ahremberg und die Fürsten von Lichtenstein und von
der Leien. Dadurch lös'te sich endlich das deutsche Reich noch völlig auf.
Am 1. August 1806 ließen diese Fürsten ihre Trennung von dem deutschen
Reiche erklären. Der Kaiser Franz Ii. batte schon am 11. August 1804
den Titel eines Erbkaisers von Oestreich angenommen. Am 6. August
1806 ließ er zu Wien und Regensburg eine Schrift verkündigen, worin
er erklärte, daß er, überzeugt von der gänzlichen Unmöglichkeit nach der
geschehenen Lostrennung der Stände vom Reich, die Pflichten seines
kaiserlichen Amtes länger zu erfüllen, es seinen Grundsätzen schuldig sei,
diese Kraiserkrone nieder zu legen. So ging das deutsche Kaiserthum unter,
nachdem es von Karl dein Großen an 1006 Jahre bestanden hatte.
Das Bildnis; Franz Ii. füllt seltsamer Weise die letzte noch leere Nische
im Kaisersaale des Römers zu Frankfurt a. M. und war nun das Bild
des letzten deutschen Kaisers. —
Napoleon herrschte jetzt über Deutschland gewaltiger, wie je ein deut-
scher Kaiser. Alles fürchtete sich vor ihm; Alle suchten ihm zu Willen
zu leben, und wer's nicht that, dem ging's schlecht. Ein Buchhändler
in Nürnberg, Palm mit Namen, hatte eine Flugschrift über Deutsch-
lands Erniedrigung, welche ihm von einem andern Buchhändler
gedruckt zugeschickt worden war, weiter gesendet; darüber ward er plötzlich
von französischen Gensd'armen gefangen genommen, vor ein französisches