1839 -
Wesel
: Bagel
- Hrsg.: Gailer, Jacob Eberhard, ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
44
tröstende Hoffnung, die er ihn, den für sein Leben Besorgten, blicken
ließ. Doch das Sprichwort: Undank ist der Welt Lohn! bewährte sich
auch hier. In dem Genusse der Fülle seines Wohlstandes dachte er
lange Zeit nicht an Joseph, bis eine außerordentliche Gelegenheit ihm
unwillkührlich den alten Freund in Erinnerung brachte und ihn dazu
aufforderte, dessen Namen dem Könige zu nennen und seinen tiefen
Verstand zu preisen, indem er ihm den Hergang seiner Bekanntschaft
mit dem jungen Manne schilderte.
Es begab sich nämlich, daß nach Verfluß von zwei Jahren der
König selbst zwei Träume hatte, welche ihm bedeutungsvoll schienen
und ihn äußerst beunruhigten, da ihm ihr Inhalt von sehr drohender Art
zu seyn schien. Einmal kam es ihm vor, er sehe sieben fette Kühe
aus dem Wasser steigen und am Ufer im Grase weiden. Nach diesen
stiegen sieben elend und mager aussehende Kühe aus dem Wasser auf,
welche gegen ihre Natur die sieben fetten Kühe auffraßen. Nachdem
er, müde vom Nachsinnen über die Bedeutung dieses sonderbaren
Traums, wieder eingeschlafen war, beunruhigte ihn ein zweiter, dem
ersten ähnlich. Es däuchte ihm nämlich, er sehe zuerst aus einem
einzigen Halme sieben schöne volle Aehren hervorwachsen, darauf aber
sieben dünne und versengte aufgehen, welche die sieben volle und dicke
rein aufzehrten. Als der Pharao erwachte, wurde er wegen des
Inhalts der beiden Träume sehr bekümmert und befragte seine Priester;
allein ob sich diese gleich neben ihren übrigen Verrichtungen mit der
Kunst, zu wahrsagen, abgaben, so waren sie doch nicht im Stande,
die Träume, die dein König so viel zu schaffen machten, zu deuten.
Auf einmal erinnerte sich der Obermundschenk an den Jüngling, der
ihm sin Gefängnisse sein Schicksal so trefflich vorhergesagt hatte, und,
durch sein Gewissen an seine Undankbarkeit gemahnt, machte er sich
Vorwürfe darüber, daß er Joseph so ganz hatte vergessen können. Er
ergriff daher die Gelegenheit, sein Unrecht gut zu machen, mit beiden
Händen, und zugleich von dem innigen Wunsch erfüllt, sein Gebieter
möchte aus seinem peinigenden Gemüthszustande gerissen werden, bat
er um Gehör bei demselben, und als er vor ihm erschien, eröffnete er
ihm, daß in Potiphars Hause ein Jüngling seit geraumer Zeit gefangen
sitze, der, mit der Gabe der Traumdeutung in vorzüglichem Grade
ausgerüstet, ihm und dem Obcrbäcker, als sie, in Ungnade gefallen,
im Kerker gesessen seyen, auf eine sinnreiche Weise ihre in der näm-
lichen Nacht gehabten Träume erklärt habe, und der Erfolg habe der
Auslegung auch wirklich entsprochen, indem es ihm vergönnt worden
sey, nachher wieder, wie zuvor, dem Könige den Becher zu reichen«