1841 -
Hamburg
: Herold
- Autor: Tiedemann, Heinrich Christian Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Hamburg
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Vierte Periode.
man Bettler und ärmlich gekleidete Personen auf der Straße
aufgegriffen und aus der Stadt gebracht; aber Manche be-
dachten sich doch, mit Zurücklassung aller ihrer Habe, in der
strengen Jahreszeit, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden
sollten, der lieben Heimath den Rücken zu kehren. Als je-
doch am 23. die Bekanntmachung Hogendorp's erschien, daß
diejenigen Stockprügel haben sollten, welche ohne Lebensmit-
tel zurückblieben, da verließen noch viele Menschen freiwillig
die unglückliche Stadt. Der größeste Greuel war jedoch dem
Weihnachtabend vorbehalten. In der Nacht vom 24. auf
den 25. December brachen Soldaten in die Wohnungen der
unbemittelten Leute, schleppten sie, kaum nothdürftig bekleidet,
in die Petri-Kirche, wo noch keine Pferde standen, und brach-
ten sie am Morgen gewaltsam zum Thore hinaus. (Ein
Gemälde in der Petri-Kirche, über dem Gestühlt der Müller,
von Herrn S. Bend ixen auf Kosten des Amts der Mül-
ler verfertigt, stellt diese Scene dar.) Schrecklich war das
Loos der armen Vertriebenen; denn Kinder und Alte, Kranke
und Schwache wurden ohne Schonung auf das Feld gesetzt
und der Verzweiflung, dem Hunger und Krankheiten über-'
lassen. Eine Frau stürzte sich mit ihren beiden Kindern in
die Elbe; Viele schleppten sich mühsam weiter und fanden
in der Fremde Unterstützung, denn von vielen Orten, nament-
lich von England, Lübeck, Altona aus wetteiferte man, so-
wohl die freiwillig Ausgewanderten, als die Vertriebenen
auf die edelmüthigste Weise zu unterstützen. Eine Zahl von
ungefähr zwölf hundert, die ein Opfev ihres Unglücks wur-
den, lag bis jetzt hinter Ottensen begraben, bis man in den
neuesten Tagen ihre Gebeiue auf einen unserer Kirchhöfe ge-
bracht hat. Eine eherne Tafel in- der Petri-Kirche enthalt
die Namen von neunzehn Edlen, die in Altona, Eppen-
dorf, Lübeck und Breinen als Opfer ihrer Menschenliebe