1852 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Darauf ward ihm ein Lager bereitet und Achilles verhieß ihm eine Waffenruhe
von neun Tagen, um den edeln Hektor würdig zu bestatten. Der unglückliche
Vater konnte nicht schlafen und schon vor Anbruch des Tages erschien ihm
Hermes und mahnte zur Rückkehr nach Troja. Da erhob sich Priamus und
fuhr mit dem theuern Leichnam zum trauernden Jlium zurück.
10. Die Eroberung von Troja.
Nachdem die Griechen zehn Jahre lang vor Troja gelagert und verge-
bens gekämpft hatten, nahmen sie endlich ihre Zuflucht zur List. Auf den
Rath des Odysseus fällten sie auf dem waldreichen Jdagebirge hochstämmige
Tannen und nun zimmerte der kunstreiche Held Epeos ein mächtiges Roß.
Er machte zuerst die Füße des Pferdes, dann den Bauch, über diesen fügte er
den gewölbten Rücken, hinten die Weichen, vorn den Hals und über diesen
formte er zierlich die Mähne, die sich flatternd zu bewegen schien. Kopf und
Schweif wurden reichlich mit Haaren versehen, aufgerichtete Ohren an den
Pferdekopf gesetzt und gläserne leuchtende Augen unter der Stirn angebracht
— kurz, es fehlte nichts, was an einem lebendigen Pferde sich regt und be-
wegt. Und weil ihm Minerva half, vollendete der Meister das Werk in drei
Tagen, zur Bewunderung des ganzen Heeres.
Nun stiegen die tapfersten Helden, Neoptolemus, der Sohn des Achilles,
Menelaus, Diomedes, Odysseus, Philoktet, Ajar und Andere, zuletzt Epeos,
der das Roß gefertigt, in den geräumigen Bauch des hölzernen Pferdes; die
übrigen Griechen aber steckten Zelte und Lagergeräth in Brand und segelten
nach der nah gelegenen Insel Tenedos, wo sie an's Land stiegen.
Als die Trojaner den Rauch vom Lager in die Luft steigen sahen und
auch die Schiffe verschwunden waren, strömten sie voll Freuden aus der Stadt
nach dem griechischen Lager zu und erblickten hier das gewaltige hölzerne Roß.
Während sie unter einander stritten, ob man das Wunderding verbrennen oder
in die Stadt schaffen sollte, trat Laokoon, ein Priester des Apollo, in ihre
Mitte und rief: „Unselige Mitbürger, welcher Wahnsinn treibt euch! Meint
ihr, die Griechen seien wirklich davon geschifft, oder eine Gabe der Danaer
verberge keinen Betrug? Kennt ihr den Odysseus nicht besser? Entweder ist
irgend eine Gefahr in dem Rosse verborgen, oder es ist eine Kriegsmaschine,
die von dem im Verborgenen lauernden Feinde in unsere Stadt getrieben wird.
Was es aber auch sein mag — trauet dem hölzernen Thiere nicht!" Mit diesen
Worten stieß er eine mächtige eiserne Lanze in den Bauch des Pferdes. Der
Speer zitterte im Holz und aus der Tiefe tönte ein Wiederhall wie aus einer
Kellerhöhle. Aber der Sinn der Trojaner blieb verblendet.
Siehe, auf einmal bringen trojanische Hirten einen gefangenen Griechen
daher. Sinon hieß er; sie hatten ihn im Schilfe des Skamander ertappt.
Da freueten sich Alle. Neugierig stellten sie sich im Kreise um ihn herum und
drangen in ihn, er solle auf der Stelle bekennen, was das Pferd bedeute. Das
eben hatte der Arglistige gewünscht, denn er hatte es früher mit seinen Lands-
leuten verabredet, sich von den Trojanern fangen zu lassen und dann die Tro-
janer zu bewegen, daß sie das Pferd in ihre Stadt führten. Er fing laut an
zu weinen und stellte sich lange, als könne und dürfe er um Alles in der Welt
nicht das Geheimniß verrathen. „Nein, ich bitte euch" — sprach er — „tödtet
mich lieber auf der Stelle!" Um so neugieriger wurden die Trojaner. Endlich
gab er ihren Bitten und Drohungen nach. „So hört denn" — rief er —