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1. Das Mittelalter - S. 224

1852 - Leipzig : Brandstetter
224 Pferde. Wie ihr früher Fleiß, so wird auch ihre Sanftmuth, thätige Menschen- liebe und Gottesfurcht gerühmt. Sie pflegte die Kranken, war hülfreich gegen Arme, ging täglich zur Kirche und genoß häufig das heilige Abendmahl. Dabei verrieth sie aber auch eine Neigung zur Schwärmerei. In der Nähe ihres Dorfes ftand ein Wunderbaum, eine schöne Buche, die nach einer alten Sage von Feen umgeben war und nicht weit davon war eine eben so merkwürdige Quelle. Dort pflegte sie öfters mit ihren Gespielinnen in schönen Nächten zu fingen und zu tanzen. Aber seit ihrem 13ten Jahre vermied sie Gesang und Tanz und lebte mehr in sich gekehrt, auch so eifrig mit Andachtsübungen be- schäftigt, daß sie dadurch das Gespötte ihrer Gespielinnen aus sich zog. Engel und Heilige waren ihr, wie sie selber nachmals erzählte, seit dieser Zeit er- schienen und wenn sie inbrünstig betete, war sie immer der himmlischen Er- scheinung gewiß. Doch redete sie damals mit Niemand über die Offenbarungen- die sie empfing, sondern führte ein stilles zurückgezogenes Leben, bis der Ruf der Gottheit und der Drang ihres Herzens sie auf den Schauplatz des öffent- lichen Lebens führte. Nur 13 Monate hat ihr öffentliches Auftreten gedauert, aber welche große und wunderbare Veränderung der Lage Frankreichs hat sie in dieser kurzen Zeit bewirkt! 2. Tief gesunken war Frankreichs Glück! Der ganze nördliche Theil bis zur Loire war in den Händen der Engländer und schon wurde Orleans, der Schlüssel zum südlichen Frankreich, von ihnen, belagert (1428 im Oktober). Karl Vii., welcherkönig hieß, ohne es zu sein — denn nicht einmal die Krönung und Salbung zu Rheims hatte er erlangen können — schien rettungslos ver- loren. Ohne Vertrauen auf sich und seine Sache war er auch ohne Hoffnung. Von Tag zu Tag ward er ärmer an Geld und Truppen und durch neue Un- glücksboten erschreckt. Er faßte den Entschluß, das Schloß Chinon, an dem südlichen Ufer der Loire, zu verlassen und in's südliche Frankreich zu ziehen oder gar nach Spanien zu flüchten, um dort eine Freistatt zu suchen. Diese traurige Lage des Reiches und des Königs mußte alle wohlgesinnten Franzosen mit Angst und Mitleiden erfüllen und der Gegenstand ihrer Gespräche und Sorgen sein. Auch Johanna ward von diesem Unglück ihres Vaterlandes tief ergriffen und in ihrer Seele erwachte der Gedanke, König und Vaterland zu retten. 3. Nie darf man die Zeiten einer großen Noth und Aufregung mit dem Maaßstabe der Zeiten der Ruhe messen. Wo außerordentliche Umstände ein- treten, werden außerordentliche Kräfte wach. Nach dem Glauben der Zeit erschienen Engel und Heilige den Menschen; in der Nähe des Dorfes Dom- remi wurden allerlei Wundererscheinungen wahrgenommen, dort stand ein Feenbaum, dort sprudelte eine Zauberquelle und eine alte Weissagung verkün- dete, daß ein Mädchen von der lothringischen Grenze kommen würde, um Frankreich zu erretten. Johanna fühlte, daß sie dieses Mädchen sei und der feste Glaube, verbunden mit ihrem kindlichen Gottvertrauen, gab ihr Kraft. Sie wollte das bedrohte Orleans entsetzen, sie wollte den verlassenen König nach Rheims zur Krönung führen.
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