1852 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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rüstigen Muthes, zum Thore seiner Vaterstadt Nürnberg hinauswanderte, in
deren Schoos ihm seine Knabenjahre freudlos gegnug verstrichen waren. Aber
diese Erinnerung trübte seine jugendfrische Seele nicht mehr; war ihm ja das
hohe Ideal seines Berufs gleich einem leuchtenden Sternbilde im Osten auf-
gegangen! Hans Sachs pilgerte nun den ganzen Rheinstrom auf und ab,
keine Stadt unbesucht lassend, wo die Kunst des Meistergesangs gepflegt ward.
Aber vom Singen wird der Mensch nicht satt, so erging es schon in jener
Zeit den bedauernswerthen Dichtern. Es half nichts, Hans Sachs mußte
wieder zu seinem Handwerk sich wenden und bei tüchtigen Schustermeistern
Arbeit suchen, die ihm auch nirgends fehlte und wenn er nun, auf dem Dreifuß
sitzend, den ganzen Tag genaht und gehämmert hatte, dann warf er sich noch
spät am Abend in seinen Sonntagsstaat und begab sich nach den Versamm-
lungsorten der Singschulen, wo er Anfangs als lernbegieriger, vielverspre-
chender Schüler, bald aber selbst als wackerer Praktikant und endlich als ein
so tüchtiger Meister willkommen war, wie nur einer jemals ein Gesatz und
Gegengesatz gefügt hatte. So vergingen einige Jahre, binnen welcher Hans
Sachs bekannt und berühmt geworden war bei allen Verständigen und Lieb-
habern der Kunst in ganz Deutschland. Aber als brodlose Kunst erwies sich
denn doch noch für's Erste der herrliche Meistergesang, so wie es Hans
Sachsens Vater vorausgesagt hatte.
Da entschloß sich der Jüngling, im gerechten Stolz auf seinen erworbenen
Ruhm, wieder umzukehren nach seiner lieben Vaterstadt und wie zuvor im
Hause des Vaters zu arbeiten, als Handwerksgenosse, nebenbei aber der edlen
Kunst, von welcher er nun und nimmer lassen konnte, fleißig obzuliegen. Nach
langer, mühseliger Wanderschaft langte er an einem spaten Abende in Nürn-
berg an. Er suchte die wohlbekannte Gasse auf, wo das väterliche Häuschen
stand; lange mußte der Jüngling erst leise, dann lauter und immer lauter
klopfen, bevor im Innern des Hauses Tritte und eine keifende Weiberstimme
laut wurden. Endlich öffnete sich das Fenster und ein altes Weib erschien mit
Licht, scheltend, wer noch in so später Nacht Einlaß begehre. „Gute Frau",
sagte bescheiden der Jüngling, „wohnt hier nicht Veit Sachs, der Schuster?"
Auf diese Frage schalt die Frau nur ärger. „Merkt's Euch, Ihr Tagedieb", rief
sie im heftigsten Unwillen, „daß Veit Sachs, der Schuster, schon vor zwei
Jahren das Zeitliche gesegnet und weder Mann noch Maus von seiner Familie
an dieser Wohnung mehr Antheil hat." Wie diese traurige Nachricht den
armen Jüngling erschreckte, wollen wir dem Leser nicht schildern; er sank
erschüttert nieder auf einen Stein vor der Thüre des gegenüberstehenden
Hauses, verbarg das Gesicht in beide Händen und schluchzte laut.
Armer Sachs, wohin sollst du dich nun wenden, um ein Nachtquartier,
um eine gastliche Aufnahme zu finden? Muth gefaßt! Dem Redlichen hilft
Gott! Der traurige Hans besann sich zu rechter Zeit aufseinen alten Meister
in der Kunst, der er sein ganzes Leben nun gewidmet hatte, auf den alten
Weber Nunnenbeck. Zum Hause dieses würdigen Mannes wendet er sich und
bald liegt er in den Armen seines einzigen, väterlichen Freundes. „Bleibe bei
mir, lieber Sohn", spricht der wackere Greis, „und liege ohne Scheu und
Störung der edlen Kunst ob, welche dir schon so reichlich Früchte der Ehre
getragen. Vertraue dabei auf Gottes Rath, er wird das Zukünftige am besten
fügen." Durch diesen Freundestrost gestärkt, verlebte nun der wackere Jüng-
ling im Hause seines alten Lehrers ruhige, glückliche Tage, welche ganz dem