1880 -
Stuttgart
: Heitz
- Autor: Kurts, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule, Privatunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
56
Alte Geschichte. L Periode. Griechen.
meines Speeres!" — Und schon flog seine Lanze gerade auf Achilles los und traf ihn mitten auf den Schild; doch weit prallte sie zurück. Da erschrak Hektor, denn nun stand er waffenlos da und erkannte, daß seine Todesstunde erschienen sei. „Wehe mir!" rief er mit klagender Stimme, „ich vernehme den Ruf der Götter, wie sie mich zum schrecklichen Tode abrufen. Zu entfliehen ist es zu spät; nun erhascht mich das Schicksal!" — Rasselnd zog er das Schwert heraus und drang, um würdevoll zu fallen, muthig aus den Gegner ein. Achilles aber fing die Hiebe mit dem Schilde auf, und eine Blöße am Halse bemerkend rannte er ihm die Lanze, die ihm Athene, von Hektor ungesehen, wieder zugereicht hatte, durch die Kehle, daß er rücklings in den Staub sank. Noch sterbend flehte dieser: „Ich beschwöre dich bei deinem Leben, bei deinen Knieen und bei den Aeltern, wirf meinen Leib nicht den Hunden vor, sondern sende ihn für schweres Lösegeld nach Troja, daß ihn die Meinigen beerdigen." Mit schnöden Worten versagte der wilde Achilles des Sterbenden Bitte, und als dieser wirklich geendet hatte, durchstach er ihm die Sehnen der Fersen, zog Riemen hindurch und band ihn an den Wagen. So schleifte er ihn im raschen Laufe bis in das Lager und warf ihn hin zum Fraße der Hunde.
Oben auf der Mauer der Stadt standen die Troer, unter ihnen Priamos und Hekabe, und 'erblickten das gräßliche Schauspiel. Alle weinten laut auf und stießen ein klägliches Geheul aus; vor Allem aber die unglückliche Mutter, die sich das Haar zerraufte und mit Jammergeschrei dem entstellten Leichname des Sohnes nachsah. Kläglich jammerte auch der alte Priamos, und kaum konnten die Andern ihn zurückhalten, gleich zum Thore hinauszueilen, um den schrecklichen Achilles um der Leiche anzuflehen. Indessen saß Adromache, das Unglück noch nicht wissend, ruhig daheim; sie webte eben ein schönes Gewand. Da befahl sie den Mägden, eilend ein großes Gefäß mit Wasser auf das Feuer zu stellen, damit Hektor, wenn er vom Kampfe zurückkehrte, ein stärkendes Bad fände. Die Unglückliche ahnete nicht, daß er keines mehr bedürfe. Da hörte sie plötzlich Geheul und Jammergeschrei vom Thurme her; die Glieder fingen ihr an zu zittern und das Webeschiff sank ihr aus der Hand. Mit wildpochendem Herzen stürzte sie aus dem Gemache hinaus nach dem Thurme und sah noch, wie Achilles den Leichnam des geliebten Gemahls mitleidslos über das Feld schleifte. Mehr konnte sie nicht sehen; ohnmächtig sank sie