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1. Theil 1 - S. 167

1880 - Stuttgart : Heitz
Appius Claudius. Virginia. 167 Als nun einst das Mädchen mit ihrer Erzieherin — denn eine Mutter hatte sie nicht mehr — über den Markt nach der Schule ging, trat Claudius zu ihr heran, faßte sie bei der Schulter und verlangte, sie sollte gleich mit ihm kommen; denn sie sei die Tochter seiner Sklavin. Das arme Mädchen war außer sich vor Schrecken, wurde bald roth, bald blaß, zitterte und fing an, jämmerlich zu weinen. Ihre Führerin rang die Hände und rief das Volk, das von allen Seiten herbeiströmte, um Hülfe an. „Macht nur nicht solchen Lärm," sagte der schändliche Claudius, „ich will sie ja nicht mit Gewalt fortführen. Kommt mit vor den Richterstuhl des Appius, da will ich mein Recht erweisen." So zog denn der ganze Haufen zum Tribunal hin, auf welchem Appius saß. Er stellte sich ganz unwissend und fragte, was es gäbe? „Siehe!" sprach Claudius, „ich hatte eine Sklavin, die eine Tochter bekam. Aber das böse Weib hat das Kind an die Frau des Virginius verkauft, die keine Kinder hatte, und so ist es dort als eine Tochter des Virginius ausgezogen worden. Aber es ist ein untergeschobenes Kind, und ich mache hiermit mein Recht auf sie geltend." — „Ja!" sagte Appius, „wenn dem so ist, so gehört das Mädchen allerdings dir zu. Es ist schlimm, daß Virginius nicht zur Stelle ist; komm morgen wieder und nimm sie indessen mit dir." — Da brachen Virginia und ihre Begleiterin aufs neue in Wehklagen aus; alle Weiber, die zugegen waren, schluchzten und betrachteten das arme Schlachtopfer mit Mitleid; das Volk hielt sich, aus Furcht vor den Gerichtsdienern, noch ruhig. Plötzlich drängte sich ein Mann durch den dichten Hausen herbei. Es war Jcilius. Das Gerücht von der Gewaltthat des Claudius hatte ihn erreicht, und er stürzte herzu, Virginien freizustehen. „Zurück!" schrie ihm einer der Gerichtsdiener entgegen und hielt ihn auf; „das Urtheil ist schon gesprochen!" — „Nimmermehr," rief Jcilius außer sich vor Zorn, „gebe ich zu, daß meine Braut mir entführt werde; nicht Eine Nacht darf sie außer dem Haufe ihres Vaters zubringen. Hast du auch, Appius, einen großen Theil unserer Freiheiten uns entrissen, so werden wir doch nie zugeben, daß du mit unsern Kindern nach Willkür schaltest. Ziehe das Schwert und reiße sie mit Gewalt fort, wenn du es wagst! So lange ich lebe, lasse ich sie nicht fahren." Der Tumult wurde immer großer; eine ungeheure Volksmasse umdrängte den Richterstuhl; Jeder wartete ängstlich aus den Ausgang. Als Appius die drohenden Blicke der Umstehenden und die
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