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1. Theil 1 - S. 302

1880 - Stuttgart : Heitz
302 Alte Geschichte. 4. Periode. Römer. ohne weiteres Verhör hingerichtet. Fast kein Tag verging, wo Tiberius nicht eine Menge Todesurtheile unterzeichnete, und das that er mit dem leichtesten Herzen. Einen Mord zu begehen oder begehen zu lassen, kostete ihm keine Ueberwindung. Eine seiner ersten Handlungen nach seiner Thronbesteigung war, daß er einen sichern Offizier nach der Insel schickte, auf welcher der unglückliche Agrippa Posthumus lebte, und ihn ermorden ließ; so habe es, sagte er, Angustus in seinem Testamente verordnet; dem Angnstus war es aber nicht eingefallen. Die arme Julia, seine ehemalige Frau, ließ er noch grausamer sterben: 16 Jahre saß sie nun schon gefangen, zuletzt im heutigen Reggio. Hier war sie zwar schon unter Augustus sehr kärglich gehalten worden; aber sie hatte doch leben können. Tiberius dagegen verordnete, daß ihr auch das Nöthigste entzogen würde: so habe es, sagte er wieder, Augustus gewollt, denn er habe in seinem Testamente nichts über sie bestimmt und so mußte das unglückliche Weib an den Folgen des Hungers sterben. Welch ein Unmensch! — Von Jahr zu Jahr wurde er wilder und grausamer, bis er endlich eine völlige Tigernatur angenommen hatte. Dieser ganz abscheuliche Charakter hatte sich nach und nach aus zwei Fehlern entwickelt: Verstecktheit und Eigenliebe, Beide hatte er schon in seiner Jugend gezeigt. Je freundlicher er war, desto mehr mußte man sich vor ihm hüten; denn dann dachte er gewiß über eine Tücke nach. Außer sich selbst liebte er kein menschliches Wesen aufrichtig. Er sagte einmal: „Wenn ich todt bin, mag der Himmel einfallen." Selbst gegen seine Mutter, die doch große Liebe für ihn gezeigt hatte, war er undankbar. In den letzten Jahren ihres Lebens ließ er sie gar nicht mehr vor sich und besuchte sie in drei Jahren nur ein Mal, und als sie gestorben war, wohnte er weder ihrem Begräbnisse bei, noch hielt er ihr, wie üblich war, eine Leichenrede, noch vollzog er ihren letzten Willen, sondern that im Gegentheil allen Denen, die darin bedacht oder überhaupt von ihr geliebt waren, auf alle Weise weh. Gegen das Ende seiner Regierung wurde er immer grausamer. Die ältesten Beleidigungen wurden hervorgesucht und dienten nun als Grund der Anklage. Eine Mutter wurde einmal hingerichtet, weil sie über ihren Sohn, der auch auf seinen Befehl hingerichtet worden war, Thränen vergossen hatte. Zuletzt wagte man kaum aufzusehen, wenn man bei Einem von der kaiserlichen Familie oder bei ihren Bildnissen vorbeiging; denn nie war man sicher, daß nicht ein Laurer die Mienen übel deutete und darauf
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