1837 -
Elberfeld
: Büschler
- Autor: Kohlrausch, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Elementarschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Elementarschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Dle Reformation.
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So kam für den jungen Karl ein Geschenk des Glückes schnell
nach dem andern, und selbst in dem erst seit wenig Jahrzehenden
neu entdeckten Welttheile, Amerika, eroberten ihm seine Krieger das
Mexikanische Reich, größer als sein Kaiserthum in Europa.
Wäre Karl ein gewöhnlicher Geist gewesen, so möchte ihn diese
Fluth des Glückes betäubt und aus der Fassung gebracht haben;
er wäre übermüthig geworden, oder hätte andern die Sorgen der
Regierung überlassen, um sich selbst in die Genüsse der Sinnlichkeit
zu stürzen. Allein der zwanzigjährige Jüngling zeigte eine bewun-
derungswürdige Ruhe bei allen diesen großen Botschaften. Ein
Augenzeuge spricht mit Bewunderung so darüber: „Unser König, der
jetzt Kaiser ist, scheint das Größte, was das Glück gewähren kann,
für nichts zu achten; seine Geistesgröße und sein Ernst sind so außer-
ordentlich, daß es das Ansehen hat, als hätte er den Erdball unter
seinen Füßen."
Dem Wunsche der deutschen Fürsten, daß er bald nach Deutsch-
land kommen möchte, genügte sehr bald; er wurde schon im October
desselben I. 1520 zu Aachen gekrönt und schrieb seinen ersten Reichs-
tag auf den Dreikönigstag des nächsten Jahres nach Worms aus.
58. Die Religionsangelegenheiten in Deutschland.
1. Der Reichstag zu Worms, 1521. — Die Haupt-
verhandlung auf diesem Reichstage war das Verhör Luthers. Der
päpstliche Legat, der auf demselben gegenwärtig war, stellte den ver-
sammelten Reichshäuptern die Gefahr der Kirche vor, wenn die
Ketzerei nicht schnell und kräftig ausgerottet würde, und verlangte
ein strenges Gericht über Luther. Dieser hatte aber auch schon
Freunde unter den Fürsten; besonders nahm sein Landesherr, Fried-
rich der Weift, Churfürst von Sachsen, sich seiner an und verlangte, daß
Luther doch erst selbst gehört werden müßte, ehe man ihn verurtheilte.
Der Kaiser stimmte ein und versprach ihm ein sicheres Geleit. Luther
vertraute auf das kaiserliche Wort und erschien; und Karl hat es
besser gehalten, als einst Kaiser Sigismund gegen Huß. — Als Luther
vor Kaiser und Fürsten in der grosten Versammlung dastand, wur-
den ihm seine bis dahin erschienenen Schriften vorgelegt und er befragt,
ob er sie als die ftinigen erkenne? Er bejahte es. Auf die Frage,
ob er auf den darin ausgesprochenen Grundsätzen beharre, bat er sich
Bedenkzeit bis auf den folgenden Tag aus. An diesem erschien er
wieder und erklärte: „daß er nichts von dem, was er in Glaubens-
sachen gelehrt und gegen die Gewalt des Papstes geschrieben habe,
widerrufen könne, wenn man ihm aber aus der heiligen Schrift be-
weisen könne, daß er im Jrrthume sey, so werde er der Erste seyn,
der seine Schriften in's Feuer werfe." — Alle Versuche, ihn auf
andere Gesinnungen zu bringen, waren vergebens; er blieb bei dem
Ausspruche: „Ist dieses Werk ein Menschenwerk, so wird es aus sich
zergehen, ist es aber von Gott, so werdet ihr es nicht zerstören können."