1835 -
Nürnberg
: Campe
- Autor: Jerrer, Georg Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Kasten aber liest sich nieder auf dem Gebirge Ararat, und nachdem er
erst einen Raben, dann eine Taube batte ausftiegcn lassen, die aber wie-
der zu ibm kamen in den Kasten, ersah er aus einem abgebrochenen
Oelblatt, das eine andere Taube brachte, und aus dem Ausbleiben der
letzten Taube, dast die Wasser gefallen seyen, und ging dann, nachdem
er über ein Jahr in dem Kasten gewesen war, mit allen den ©einigen
und allen Tbieren, grost und klein, auf Gottes Geheiß wieder heraus.
Gott aber, dem Noah sofort ein Brandopfer darbrachte, roch den lieb-
lichen Geruch, und beschloß, die Erde hinfort nicht mehr zu verfluchen
um der Menschen willen, denn das Dichten des menschlichen Herzens
sei böse von Jugend auf, sondern so lange die Erde stehe, solle hinfort
nicht mehr aufhören Samen und Erndte, Frost und Hitze, Sommer
und Winter, Tag und Nacht. Und zum Zeichen der Noah und seinen
Nachkommen gegebenen Zusage setzte er seinen Bogen zwischen die Wol-
ken, daß, wenn es auch wieder komme, daß Gott Wolken über die
Erde führe, er bei dem Bogen gedenken wolle des Bundes zwischen
ihm und Noah. Die Söhne Noah's aber, der zuerst Weinberge pflanzte,
hießen Sem, Ham und Japhct. Von diesen ist alles Land bevölkert,
und zwar so, daß Sem der auserwählte Lieblingssohn war, ibm zunächst
Japhet stand, Ham aber, der Vater Eanaans, wegen Unehrerbietigkeit
mit allen seinen Nachkommen verflucht wurde. Unter diesen war Nim-
rod, der Sohn Elms, der Babel erbaute, ein gewaltiger Jäger vor dem
Herrn, der berühmteste. Bei Babel aber, im Lande Sinear, beschlossen
die Menschen zur Zeit, da sie nur noch eine Sprache hatten, eine
Stadt und einen Tlmrm zu bauen, dessen Spitze bis in den Himmel
reiche. Der Herr aber fuhr hernieder, um das Werk der Menschen-
kinder zu sehen, und beschloß ihre Sprache zu verwirren. Dadurch
wurden sie zerstreut in alle Lande und mußten aufhören die Stadt zu
bauen.
Also erzählt unsere heilige Schrift in einer schönen und sinnreichen
Sage die große Fluth und die Zerstreuung der Menschen über die
ganze Erde. Wenn man nach den Angaben des ersten Buchs Mose
die Jahre der einzelnen Abkömmlinge Adams berechnet, so findet man
für das Jahr der Noachischen Fluth 2328. Eine Zeit von 165« Jah-
ren war also verstrichen, von der wir, die Erfindung der Musik, des
Erz und Eisenwerks, und des Baues der Stadt Hanoch abgerechnet,
gar keine andere werthvolle Nachricht, als ein bloßes Geschlechtsregister
besitzen. Es ist stets ein unglücklicher Gedanke, aus heiligen Sagen,
die zu einem ganz andern Zwecke bestimmt sind, geschichtliche Angaben
entnehmen zu wollen, und daher ist es nicht der Mühe wertb, über die
Geschichte jener Zeit vor Noah, über die Einrichtung der Staaten, über
ihre Religion, über die damals verbreiteten Kenntnisse etwas zu sagen,
da Alles, was wir historisch wissen, auf jener alten, einem Jeden selbst
zugänglichen Sage beruht. Das Wichtigste und Unumstößlichste jedoch