1835 -
Nürnberg
: Campe
- Autor: Jerrer, Georg Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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sein Bruder und Nachfolger Balduin trug kein Bedenken, den Königs-
titel anzunehmen. Das neue Reich, rings umgeben von Mahomeda-
nern, die endlich obwohl zu spät einsahen, daß sie ihrer eigenen Strei-
tigkeiten vergessen müßten, um dem gemeinsamen Feinde zu begegnen,
hatte einen um so schwerem Stand, als in seiner Mitte selbst die
Parteiungen der Großen überhand nahmen, und von 'Außen bestän-
dige Angriffe gemacht wurden. Indessen kamen ihm zwei Dinge zu
gut, erstens die immer fortdauernden Züge aus Europa, welche theils
die Streitkräfte von Jerusalem verstärkten, theils durch Angriffe auf
Kleinasien oder Aegypten die saracenische Macht sich zu theilen zwan-
gen, zweitens die geistlichen Ritterorden, der Johanniter und der Tem-
pelherren, die zwar ursprünglich zur Pflege der Kranken und zur Be-
schützung der Pilger gestiftet bald sich in eine stehende Armee für den
Glauben Christi und gegen die Ungläubigen umwandelten. Von jenen
Zügen haben besonders einige vorzügliche Aufmerksamkeit auf sich gezo-
gen und den Namen großer Kreuzzüge erhalten, theils weil sie in sehr
wichtigen Zeitpunkten mit großen Heeren unternommen wurden, theils
weil sie durch die Persönlichkeit ihrer Anführer, der römischen Kaiser
deutscher Nation, der Könige von Frankreich und England, vor den
andern sich auszeichneten. Als Zenghi der Fürst von Moßul (1144)
Edcssa weggenommen hatte, und nach seinem Tode (ii40) sein Sohn
Nureddin die mittlerweile wieder abgefallene Stadt für ihren Schritt
grausam züchtigte, so wurde durch die nun dein Königreich Jerusalem
drohende Gefahr, welche sich nächst dem Papst Eugen Hl. besonders
der begeisterte und fromme Bernhard Abt von Clairvaux zu Herzen
nahm, ein zweiter großer Kreuzzug veranlaßt, dem sich König Lud-
wig Vii. von Frankreich und König Konrad Iii. von Deutschland un-
terzogen. Nach unendlichen Mühsalen und ungeheuren Verlusten in
Kleinasien trafen beide Könige (1148) wieder vor Damask zusammen,
um diese Stadt zu erobern und dann mit Edessa lind Armenien in
Verbindung zu treten. Aber weder diese Unternehmung noch ein An-
griff auf die ägyptische Grenzfestung Askalon gelang, und die Könige
kehrten, ohne etwas ausgerichtet zu haben, ivieder nach Europa zurück.
Der heilige Bernhard, dem von allen Seiten Vorwürfe über die Un-
wahrheit seiner Verkündigung eines glücklichen Ausgangs gemacht wur-
den, fand in dem Beispiel Moses, dem auch die Sünden seines Volks
ein Hinderniß waren, das gelobte Land zu betreten, Entschuldigung ge-
nug. Das Königreich würde sich indessen, so lange die Spaltungen
der Mahomedaner fortbestanden, ohne weiters erhalten haben, als aber
ein großer Fürst diese vereinigte, die Christen dagegen noch mehr als es
schon anfangs der Fall war, zerfielen, schlug die Stunde seines Unter-
gangs. Saladin, der nach dem Tode des letzten Chalifen von Cairo
(1174) sofort den Titel Sultan annahm und die Spaltung zwischen
Sunniten und Schiiten dadurch wenigstens in politischer Hinsicht ausi