1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Mittel-Europa.
und Altweichsel bilden aber zuvor einen langen See, Frisches Haff
genannt, der durch eine schmale sandige Landzunge oder Nehrung bei-
nah ganz vom Meere getrennt ist. In dieses Haff ergießen sich- das
Flüßchen Passarge und der größere Küstenfluß Pregel, der aus dem
Spirding-See seinen Ursprung nimmt. Länge des Weichselftroms
140 Meilen.
Die Karpathen sind grade im obersten Weichselgebiet sehr hoch, einige
Gipfel über oder nahe 8000', B. der Krywan, die Spitze von Lomnitz, und
die von Käsmark, woran der Popper oder Poprad (Nebenfluß der Dünajecz, zur
Weichsel gehörend) hinfließt. Nur 2'/, Stunde von der Stadt Käsmark ist der
kleine grüne See, durch Granitmassen eingefaßt, die sich rechts und links 5000'
erheben. Die Waldungen daselbst sind von gewaltiger Ausdehnung, großenthcils
Nadelholz. An Metallen, Salz und andern Mineralien Ueberfluß. Nur kommt
der Reichthum des Gebirgs mehr den Gebieten der Waag und Theiß (also den
ungrischen Ländern) zu gut, weil die Karpathen den längsten Abfall mit Aesten
und Borbergen nach Süd haben. Auf der Nordseite ist der Abfall kurz und das
hüglichte Vorland wenig ausgedehnt. Gar bald, wo Weichsel und San sich ver-
einigen, beginnt die Ebene, die sich links übers Warthagebiet grad ans und
rechts durch Polen, Preußen, Litthauen und Rußland erstreckt. In dieser Ebene
wechselt leichtes, oft gutes Ackerland mit dürrem Sandfeld und sehr großen Wäl-
dern. Der beste Weizenacker findet sich an der Gränze von Altlitthauen. — An
den Flußufern sind 'weniger Wiesen als bruchige Strecken, so wie im Wartha-
und Netzegebiet. Jedoch ist kein Moor der Weichselgegenden mit den ungeheuren
Morästen und Sümpfen zu vergleichen, die weiter im Ost das Gebiet des Przi-
piec überlagern. Die Abdachung zur Ostsee ist gar unmerklich. Und weil unfern
dem Küstenlande Hügelreihen hervortreten, so haben sich, wie in Mecklenburg und
Pommern, Landseen gesammelt, die im unteren Weichselgebiet kaum zu zählen
sind. Ueberhaupt sind die Ostseeküsteu mir einer Verbrämung ans Landseen von
der Eider bis zum Niemen besetzt. Diese Verbrämung legt sich jenseit des Rie-
men weiter ins Land hinein und umzieht im Bogen den finnischen Meerbusen.
Im No. Petersburgs, und in Finnland, ist bei der Unzahl der Landseen fast
mehr Wasser als Erde. Den Seegürtel aber erblickt man grade da, wo Küsten-
flüsse ihren Anfang nehmen und kleines Gehügel Züge von Landhöhen bildet.
§. 2. Der große polnische Theil.
Das Stromgebiet läßt sich am besten nach der Sprachgränze ab-
theilen. Die bei weitem größere Hälfte von den Gebirgen hinab bis
nahe der Stadt Thorn wird von Polen, der untere Küstenstrich von
Deutschen bewohnt.
Ortschaften im polnischen Theil: Wir beginnen im Süden mit
Wieliczka, einem Bergflecken am Fuß der Karpathen, merkwürdig durch seine
Salzbergwerke, die jährlich an 700,000 Ctr. liefern. Etwa 400 Schritt vom
Orte steht ein hölzernes Gebäude über dem Hauptschacht. Zum Einfahren erhält