1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Boni Bau der Erdrinde.
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noch beträchtlich dünner, also immer noch den vulkanischen Ausbrüchen bei weitem
mehr als heutzutage unterworfen sein. Dazwischen bahnten sich Gewässer Ab-
züge aus verschlossenen Thalungen und Seebecken, entsetzliche Cataracten nagten
an den Gebirgen, um endlich durchzubrechen und große Landstriche trocken zu
legen, während die Ströme in ihrem Unterlauf Geschiebe und Geröll und frucht-
bare Erdtheile absetzten und ihr Gebiet auf Kosten des Meers erweiterten. Wenn
selbst in späterer Zeit ganze Deltas, wie das des Nil, entstanden, wie ausgedehnt
und mächtig mußten vorher die Anschwemmungen des Diluviums sein!
Mit allen diesen Veränderungen ging die Abkühlung der Temperatur
gleichzeitig fort, und die Polarländer kamen unter den Wärmegrad der jetzigen
Tropenzone herab, so daß Thiere heißer Klimate, wie Elephanten, Mastodonte,
Tiger re. dort von selbst aussterben mußten, wenn sie auch nicht das Opfer von
Erderschülterungen wurden. —
In solcher Weise lassen sich sechs Schöpfungsperioden annehmen,
wovon die sechste oder jetzige mit Er sch a ff u n g des Menschen beginnt. Und
anch diese sechste ist nur ein gleichmäßiges Fortentwickeln und Werden; sie weist
gleichfalls stäte Veränderungen auf, und zwar anfangs noch theilweis große
Ueberschwemmungen und mit Einsturz oder Hebung einzelner Landstriche und
Inseln begleitete heftigere Erdbeben als jetzt, im Ganzen aber doch weit mildere
Erscheinungen als in den früheren Perioden des Erdbaus. Noch fahren die
Flüsse fort, Schlamm und Gerölle den Ebenen und dem Meere zuzuführen und
ihre Betten zu erhöhen. Noch füllen sich die Gebirgsseen nach und nach mit
dem Absatz der Flüsse aus, und wo es Wasserfälle gibt, rücken sie mehr auf-
wärts*). Zu Tag liegende Gesteine verwittern und der Regen wäscht sie ab.
Das Meer setzt Land an oder verschlingt es; und hin und wieder hebt oder
senkt sich der Boden, wenn auch nur iu unbedeutender Ausdehnung.
Auch Vulkane sind noch thätig, doch in geringer Zahl, während tausende
von erloschenen Cratern**) an die ehmalige Herrschaft vulkanischer Kräfte er-
daraus bei einer Tiefe von 8 Meilen auf einen Hitzegrad zu schließen sein, worin
alles Gestein nur geschmolzen vorhanden sein kann.
*) Der Niagarasturz soll seit 40 Jahren 50 engl. Ellen aufwärts gerückt
sein, d. h. seine Felsschlucht, die er in den Kalkflötz aushöhlt, um 50 Ellen ver-
längert haben. Danach hat der Engländer Lyell die Aushöhlung der ganzen
jetzigen Schlucht auf 10000 Jahre berechnet, und daß bis zum völligen Aufhören
des Wasserfalls noch 36000 Jahre erforderlich sein werden. — Nach Girard' s
Untersuchungen konnte die 35' tiefe Alluvion des Nildeltas nur in 9000 Jahren
vor sich gehen. — Wie viel Zeit der Rhein bedurfte, um das Schiefergebirg von
Coblenz, wo er in der Urzeit einen Catarakt bildete, rückwärts bis Bingen aus-
zunagen, ist noch nicht untersucht.
**) Die noch thätigen Vulkane finden sich fast alle in der Nähe des
Meeres, z. B. die Reihe von Vulkanen in der Cordillera der Anden, auf dem
Anahuak, in der Caskadenkette und weiter nördlich vcm Oregon Gebiete; ferner
die, welche von Sumatra über Jawa östlich bis Ternate und dann gen Noroen
über die Philippinen, über Formosa und die Japanischen Inseln nach Kamt-