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1. Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit - S. 386

1855 - Mainz : Kunze
384 Asien — Vorder-Indien. Dies fand sich aber in Indien nicht. Das indische Volk, vorzugsweise mit Imagination und Gemüth begabt, entwickelte sich blos unter priesterlicher Leitung und nie hat wohl ein anderes Volk in allen bürgerlichen und Staatsformen, im Dichten und Denken ein so eigenthümliches und der eigentlichen Verstandes- dildung so hinderliches Gepräge von seiner Priesterschaft erhalten, als Indien. Hauptsächlich war hierin wirksam: das D o g m a von d e r S e e l e n w a n d e r u n g , und die Einführung der Kasten form. Das Kastenwesen besteht darin, daß jeder Mensch in dem Dildnngs- und Geschäftskreise desjenigen Standes bleiben muß, dem seine Familie herkömmlich und unabänderlich angehört. Diese abgeschlossenen Stände nennt man Kasten. Wie in Alt - Egypten, gestaltete es sich sehr früh bei den Indiern und hat Jahrtausende hindurch, geringe Aenderungen abgerechnet, bis auf den heutigen Tag erhalten. Noch jetzo bilden die B r a m i n - F a m i l i e n als bevorzugte Ge- schöpfe Bramas, aus dessen Haupt sie entstanden, die oberste Kaste, und nur Mitglieder aus ihrer Mitte können Priester und Staatsbeamte, Richter und Aerzte, Gelehrte (Pundits) und Künstler werden und auch Handel treiben; man schätzt ihre Zahl auf 2 Millionen. Noch jetzo gibt es Ueberbleibsel von der ehmals mächtigen Kaste der Ketris oder Kschetrijas, dem Kriegsadel der Hindus; ihre Zahl ist natürlich seit der mörderischen Unterjochung durch die Fremden sehr zusammengeschmolzen, und ihre obere Ordnung, die Radschas oder Fürsten, hat mit der Unabhängigkeit fast allen Glan; eingebüßt. Desgleichen besteht noch immer die Kaste der Waischyas, wozu fast der ganze Handelstand (die Banianen) viele Oekonomen und Gewerbtreibende gehören; und die vierte Kaste, Sudra's oder Schudders genannt, vor Alters nur Handwerker und Dienende, jetzt aber auch häufig mit Ackerbau beschäftigt und sehr zahlreich. Noch immer haben die Kasten ihre Abzeichen und besondere Verpflichtungen. Der Sudra darf keine Schnur von der linken Schulter über die Brust tragen, woran die oberen Kasten zu erkennen sind, und eben so wenig ist ihm die Lesung der heiligen Schriften, ja nicht einmal das Anhören derselben gestattet; ehmals durfte er nicht einmal Vermögen erwerben. Man kann denken, wie es mit den Religionsbegriffen dieser Kaste aussieht; aus dem Wusle von Götter- inährchen wissen sie dies und das; ihre Sittenlehre besteht fast nur darin, keine Kuh zu schlachten, Wallfahrten und andre Bräuche mitzumachen, und keinen Bramin zu beleidigen. — Wer aber auch die Vedas lesen und daraus beten darf, oder in seiner Kaste dazu verpflichtet ist, hat genug gethan, wenn er sie gedankenlos hersagt, denn die wirkende Kraft steckt schon in den bloßen Worten wie in Zaubersprüchen. Nur ein Bramin kann, wenn er will, sich durch die Masse mythologischer Phantasien, Philosopheme und Mährchen hindurch arbeiten, um das Reinere, das wirklich Religiöse, wie es in den alten Vedas wirklich vorhanden ist, zu begreifen. Meistens sind aber die Braminen durch die ihnen besonders obliegende Befolgung von allerlei oft kindischen Bräuchen und dadurch, daß sie selten ihren Verstand angestrengt, gegen das freiere Forschen abgestumpft. Sie sind zufrieden, gewisse Vorzüge zu genießen, sie suchen durch Beten, Wall- fahrten, Baden in heiligen Wassern, Büßungen und dergleichen, sich Ehre und
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