1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Asien — Vorder-Jndien.
391
mit 100000 E. Wohnort des Oberpriesters der Sihks, und vor der Despotie
Rnndschid Singhs ihre Bundesstadt. Attok, alte Gränzfestung an der Mündung
des Kabul in den Indus. Multan, unweit des Dschenab im Süden mit
60000e. — Kaschmir oder Sirinagur am Behüt, Hauptort der vielgenannten
Landschaft, hatte noch im vorigen Jahrh. 150000 Bew. jetzt kaum 00000; sonst
waren 16000 Webstühle im Gang, jetzt nur noch 6000. So drückend und aus-
saugend war die Afganenherrschaft für die Stadt und für die ganze Landschaft,
deren blühender Zustand verschwunden ist. Von allen früheren Reisenden ward
Kaschmirs Wohlstanv gepriesen. Die Landschaft, von der Natur reich ausge-
stattet, ist ungemein schön. Die Berge steigen nicht eben fern von der Haupt-
stadt prachtvoll chis zu ewigen Eisgipfeln empor. In einer Seehöhe von 4 biö
5000' hat die Landschaft ein mildes Klima. Vom Behüt, der hier schon die
Breite unsers Main hat und — eine Seltenheit in Alpenthälern — beschifft
wird, sowie von mehreren Flüssen und Kanälen bewässert, ist sie überaus frucht-
bar. und prangte sonst vor allen mit reichen Sasranfeldern. Das Volk, ein
schöner Menschenschlag, ward wegen seines Fleißes gepriesen, man sah keine
Bettler. So war es noch unter den Großmoguln. Die schöne Nurmahal (d. h.
Licht des Harems) pflegte mit ihrem Gemahl Iehangir sich zur Sommerzeit hier
am liebsten aufzuhalten und der herrlich angelegten Gärten sich zu erfreuen, und
mit Recht hieß die Hauptstadt: Sirinagore, d. h. Stadt der Siri oder
Lakschemi, der Spenderin des Segens. Heutzutag sieht man eine Menge Tem-
pel- und Schloßruinen umher; das Volk, meist dem Islam zugethan und nur
600000 Köpfe stark, während Kaschmir sonst weit über eine Million zählte, ist in
Lug und Trug und große Armuth versunken.
i. Die Lakediven, 50 Inselchen von Korallenriffs umgeben, im indo-
persischen Meere. Kokospalmen. Kauris oder Muschelchen, die man in Indien
als kleinste Münze gebraucht. Die Bewohner sind muselmännisch und arabischen
Ursprungs, ihre Häuptlinge gehorchen den Britten.
Südlich davon liegen die Malediven, d. h. zahllose Inseln. Ihre 200000
Bew. bauen Reis und Kokos, treiben Fischerei und Schiffahrt, führen jährlich
mehrere Schiffe voll Kauris aus, bekennen sich zum Islam und stehen unter
einem Sultan.
Bemerkungen. — Ueberblicken wir somit die Besitzungen der Engländer
in Asien, so müssen wir erstaunen, welches Reich sie dort, nicht unter Wilden
wie die Spanier in Amerika, sondern in kultivirten stark bevölkerten Ländern,
und so weit von Europa entfernt, sich gegründet haben. Natürlich fragt man,
wie das gelingen konnte.
Der Zerfall des großmogolischen Reichs, der Gegensatz hinduischer Völker
und moslemischer Herrscher, die feindlichen Verhältnisse der vielerlei Fürsten unter
einander, der den Hindus vorzuwerfende Mangel an allgemeinem Vaterlands-
gefühl: dies alles, so leicht es von fremden Eroberern benutzt werden konnte,
reicht allein zur Beantwortung jener Frage nicht aus. Denn immer noch gab
es in manchen!^ indischen Staate — namentlich in Mysore und bei den Mah-
ratten — genug Kraft und Lust zum Widerstände, und was die Engländer an