1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Schweiz. — Das Geschichtliche.
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Unabhängigkeit, ist die schweizerische Eidgenossenschaft entstanden. Ihr
Beginn im Jahr 1308 war klein, doch wuchs sie in den nächsten Jahrhunderten
durch heldenmüthige Bekämpfung der Gegner und durch glückliche Erwerbungen
zu einem Bunde, der sich über die herrliche Alpenlaudschaft vom Hochgebirg bis
zum schwäbischen Rhein, und auf der Südseite bis zum italischen Lago maggiore
erstreckte. 'Sie rechnete sich anfangs noch zum deutschen Reiche, dem sie erst
durch den Krieg mit Kaiser Max I., der sie 1499 vergebens angriff, völlig ent-
fremdet wurde. 1648 im westfäl. Frieden galt sie als eigner europäischer Staat
und bestand aus folgenden Theilen: a) 13 (Santone, die theils städtische Ge-
biete waren, mehr und minder aristokratisch regiert von kleinem und großem
Rath, mit Bürgermeister oder Schultheiß an der Spitze, wie Zürich, Bern,
Luzern, Zug, Basel, Freiburg, Solothurn, Schafhausen; theils Län-
der, demokratisch regiert durch Landsgemeinden mit Landammanns an der
Spitze, wie Uri, Schwvz, Unterwalden, Glarus, Appenzell. >,) Schutz-
genossen oder zugewandte Orte, nämlich Abtei und Stadt St. Gallen,
Rhätien, Wallis, Biel, Genf, Fürstenthum Neuenburg, und Mühl-
hausen im Elsaß, o) Unterthauenlande oder eidgenössische Vogteien, die
von einigen Cantonen regiert wurden, nämlich ital. Vogteien südl. des Gott-
hard, Sarg ans und Rheinthal neben Voralberg, Baden nebst freien
Aemtern; Murten, Gransou. — So mancherlei regierende, regierte, be-
schützte und unterthänige Theile mußten auch mancherlei Rechtsame und große
Ungleichheit haben, und keineswegs war an eine feste innige Vereinigung der-
selben gedacht. Vielmehr hielt der Gegensatz von aristokrat. und demokrat. An-
forderungen nicht blos die Cantone, sondern auch die verschiedenen Volksklassen
in den Cantonen auseinander; wozu leider im Beginn des 16. Jahrh., da die
Reformationsidee nicht den ganzen Schweizerbund durchdringen konnte, noch ein
kirchlicher Gegensatz kam, der eben so heftigen innern Streit erregte und auch
im Frieden eben solche Absonderung und Verschiedenheit der geistigen Kultur
veranlaßte, wie in Deutschland. Jedoch fiel trotz der Entfremdung ihrer Theile
die Eidgenossenschaft nicht auseinander. Man hielt wenigstens am schweizerischen
Vaterlande, und so lange noch die innern Einrichtungen nicht veraltet waren,
wurden sie auch trotz ihrer Mängel nicht morsch. Aber im 17. und 18. Jahr-
hundert veralteten sie wirklich. Lange Ruhe, indem man bei großen Kriegen
mächtiger Nachbarn Neutralität behauptete, ließ die ehmalige politische Thätig-
keit, ohne die ein jedes Volk eigne Kraft und fremde Achtung verliert, allmählig
erstarren; das Hergebrachte ward ängstlich erhalten, nicht verbessert. — Unterdeß
wirkten die Ideen des 18. Jahrhunderts auch ans schweizerische Gelehrte und
Bürger. An der Literatur Deutschlands und Frankreichs Theil nehmend, zeich-
neten sich Albrecht Haller, Jselin, Bodmer, d'jvernois, Rousseau, Salomon
Gesner, Euler, Bernouilli, Lambert, Sulzer, Zurlauben, Zimmermann, Füeßli,
Mallet, Lavater, Salis, Pestalozzi, Johann Müller, Bonstetten u. a. aus; Vater-
landsfreunde stifteten eine gemeinnützige Gesellschaft zu Schinznach, und Ein-
sichten in das, was dem Volks- und Staatsleben dringend noth that, begannen
sich zu verbreiten. Doch ehe sie noch kräftig Wurzel fassen konnten, ward am