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1. Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit - S. 650

1855 - Mainz : Kunze
648 Polen. Geschichte. so mehr hätten die andern Mächte den polnischen Staat in Schutz nehmen und vor ferneren Eingriffen Rußlands wahren sollen; aber die französische Revolution fesselte ihre Aufmerksamkeit so sehr und schien den künftigen Beistand der Czarin so dringend zu fordern, daß sie es geschehen ließen, als Catharina zu einer zweiten und bald darauf zur völligen Zerreißung Polens schritt. Diese Gewaltthat gehört zu den betrübendsten und folgereichsten in der Ge- schichte unsrer Zeit. Herbeigeführt ward sie, als ein Verein polnischer Edelleute das Vaterland innerlich zu heben suchte und deshalb eine Staatsverfassung ent- warf, die dem Geiste der Zeit, dem Bedürfnisse der polnischen Nation, angemessen schien und darauf beruhte, daß Polen ein Erb reich und der Bürg er st and Mitglied des Reichstags sein sollte. Sie ward am 3. Mai 1791 verkün- det. Eine solche Reform aber, und die Entfaltung der Nationalkraft, die wahr- scheinlich daraus erfolgen mußte, wollte die Kaiserin nicht dulden. Daß es miß- vergnügte , dem Sinn der Constitution noch fremde Polen gab, nahm sie zum Vorwand, sich dagegen auszusprechen. Ihre Truppen setzten sich in Marsch. Die Verfassung ward gestürzt, eine andre decretirt und, damit das unglückliche Reich auf immer geschwächt sei, nahm sie 4000 Qm. für sich, und gab zur Beruhigung 1000 an Preußen. Im September 1793 war die leichte Eroberung vollendet. Dem König Stanislaus blieb nur ein kleiner Theil des ehmals mächtigen Staates, und dieser Theil- nur unter russischer Autorität. — So unerhörtes Schicksal entflammte die Gemüther. Schon im nächsten Frühling fanden sich ausgewanderte Bundesbrüder, vor allen Kos eins ko und Madalinsky, in Krakau ein, und schon am 4. April 1794 ward den Russen ein siegreiches Gefecht bei Raclawice geliefert, worauf die Empörung nach Warschau, Wilna, und durch fast alle Woiwodschaften sich verbreitete. Allein zur Rüstung des Volks, zur Festigung einer neuen Ordnung der Dinge ward ihnen nicht Zeit gelassen. Es erschienen östreichische und preußische Truppen, und bald auch 2 russische Heere unter Fersen und Suwarow. In unglücklichem Gefechte bei Macziejowice ward Koscinsko verwundet und gefangen, und am 4. November Praga er- stürmt, wo das Kriegsvolk des rauhen Suwarow, wie einst die Schaaren Tilly's in Magdeburg, ein fürchterliches Blutbad anrichtete und die geplünderte Stadt in Asche legte. 20000 Vertheidiger und Einwohner lagen geschlachtet. Straf- gerichte gegen die sogenannten Empörer folgten der Unterwerfung. Der alte König mußte abdanken. Die Reste des Reichs wurden vertheilt, wobei die Stadt Warschau an Preußen fiel; Polen hörte 1795 auf, ein eigner europäi- scher Staat zu sein. Elf Jahre 'später kam zwar Napoleon an die Weichsel und bildete ein eignes Herzogthum Warschau, was für die Zukunft die Erneuung des alten Königreichs zu verkünden schien, allein mit seiner Flucht 1812 zer- trümmerte diese Hoffnung. Der Wiener Congreß gab die Posen'sche Landschaft wieder an Preußen, erklärte Krakau zur Freistadt, und überließ das verkleinerte Herzogthum Warschau mit 2290qm. und 3600000 E. unter dem Titel König- reich Polen dem Kaiser Alexander von Rußland. Es gereicht diesem wohlwollenden Fürsten zur Ehre, daß er wünschte, die Polen mit ihrem Mißgeschicke zu versöhnen, indem er ihnen eine Verfassung gab,
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