1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
654
Russisches Reich. — Jetziger Bestand.
50 Jahren der Fall ist; und welche Sprache wird alsdann Rußland in der
europäischen Politik führen, wenn es nicht bis dahin in zwei oder mehrere Massen
zerfallen ist! Wie wird es besonders auf Deutschland lasten, da kein Mittelstaal,
wozu Polen sich so vorzüglich eignete, mehr dazwischen liegt! Zur See kaun ihm,
besonders von Seite Englands mit Nachdruck begegnet werden; wer aber will
sich in das Innere des kolossalen Reiches wagen, das selbst dem mächtigen
Napoleon verderblich war? Das mag Deutschland bedenken und siä, deshalb bei
Zeiten zur kräftigsten Abwehr des eroberungslustigen Nachbars rüsten. Dies ist
aber nur möglich, wenn unser Staatenbund fest hält, wenn wahrhaftes Vertrauen
zwischen Volk und Fürsten waltet, und — was unzertrennlich davon ist — wenn
die unsrer Nation innewohnende Geistes- und Charakterkraft nicht in ihrer ferne-
ren Entwickelung gehemmt wird. Nur ein großes Nationalgefühl und fortdauernde
Ueberlegenheit an Geist, kann uns künftig gegen die unter Einem Oberhaupt
stehende Riesenmacht Rußlands aufrecht erhalten.
Die ungeheure Fläche des Landes ist schon oben S. 466 mit dem
übrigen Europa verglichen. Nur seitwärts des Dnepr hebt sich Felsgehügel aus
den Ebenen Podoliens nach der karpathischen Seite hinauf, und nur im fernsten
Süden auf der taurischen Halbinsel Krimm sieht man wirkliches Gebirg, denn
was im Norden als letztes Geäst der Kjölen iu's russische Lappland hinein rankt,
ist unbedeutend, wegen Kälte unbenutzbar, jedoch merkwürdig, weil es im eigent-
lichen Finnland zwischen unzähligen Seen überall als zerrissener Grauitboden
hügellicht hervortritt. Der Alaunus oder Wolchouskiwald (in nördl. Fortsetzung
auch Waldai genannt) bildet ohne sonderliche Gipfel den wenig über 1000' hohen
Rücken des Ieengürtels, wo Wolga, Düna u. a. Flüsse entspringen. Ueber den
Ural als russisches Hauptgebirg ist S. 345 nachzulesen. — Flüsse: 1) iu's
Eismeer: Dwina in den weißen Golf und Petschora. 2) Iu's schwarze:
Don oder Tanais, mit dem Nebenfluß Donetz, mündet bei Asow. Dniepr oder
Borystheues, vom Smolenskischen Gebiet aus dem Alaunus, 214 M. lang, mündet
bei Oczakow, nachdem er unterhalb Kiew den Steppengürtel mit 13 kleinen
Wasserfällen oder Porogs durchbrochen; seine Nebenflüsse sind: Beresina,
Pripjät, der inmitten Altpoleus die weiten Rokitnomoräste durchfließt, und Bog
aus podolischen Höhen. D nie st er oder Danaster aus den galizischen Waldkar-
pathen, raschen Laufs, mündet bei Akjerman. 3) Zur Ostsee: Newa als großer
Ausfluß des Ladoga in den finn'schew Golf, Narwa als kleiner Ausfluß des
Peipus, Düna vom Alaunus in den Golf Riga's. 4) Nach Asien: Wolga
aus einigen Seen (namentlich dem Seligersee) des Alaunus, bei Twer schiffbar;
Nebenflüsse: die große Kama von N. und die Oka von S. — Unter den zahl-
losen Seen: Ladoga, durch den Wolchow zusammenhängend mit dem Jlmen,
Onega, Peipus, Pleskow, in Finnland der Taimen u. s. w. — Klima
und Production: Zwischen Eis- und Schwarzmeer ist natürlich große Ver-
schiedenheit. Während im N. fast ewiger Schnee liegt, wehet im S. die Luft
von Deutschland; doch sind die südlichsten Striche wegen des Steppenbodens nicht
so ergiebig, als das mittlere Rußland zwischen 50 und 57° Br., wohin sowohl
Moskau als Kiew gehören, in deren weiter Umgegend vorzügliche Kornfluren