1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Nordamerika. — Mexiko.
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so sind norwegische und lappländische Pflänzchen zu finden. Der Weg führt aber
unweit des Fußes der Gebirgökegel nur über den Rand nach den Ebenen des
Hochlandes und in die vom Gebirg eingefaßten Thaluugen. Sonderbare Natur,
und doch mit europäitchem Anbau! Die Höhen nämlich sind voll hartblätteriger
Syngenesisten, voll Kaktusarten, Agaven und unerfreulicher Juccas, die als
Bäume erscheinen, aber nur au den Enden ihrer schwarzen Aeste stachlichte Blät-
terbüsche ausrecken — wahrhaft schattenlose Wälder, denn nur hie und da wech-
seln sie mit Nadelhölzern und Mimosen. Daneben aber breiten sich weite baum-
leere, fruchtbare Flächen aus, wo Mais, Waizeu, Gerste, Hülseufrüchle,
Knollengewächse, und in den Gärten unsre Obstanen, ja wo es wärmer ist, noch
Orangen, Feigen und Oliven gedeihen, überall eingehegt von Agaven, die der
Eingeborne nirgend entbehren mag. Der Waizeu, ans Europa hinverpflanzt,
findet sich auf dem ganzen Auahuak, und giebt weit höheren Ertrag als bei uns,
in den Ebenen von Puebla das 40fache der Aussaat, auf einigen Gütern oft das
70fache. Unvermischte Jndianerstämme halten jedoch fest an ihrem Mais, dem
ursprünglichen Korn Amerikas, das sehr ergiebig ist, in heißer Gegend oft 280mal
die Aussaat wiedergiebt. Was die Tierra caliente betrifft, so vermag sie alle
tropischen Produkte zu liefern, wie sich beim Anbau von Zucker und Kaffee,
neben Vanille, Indigo, Cacao, Tabak, Baumwolle u. s. w. bewährt hat; man
könnte, wenn man nur wollte, Zimmt, Muskatnuß und Gewürznelken bauen, so
daß Mexiko kaum der Einfuhr fremder Produkte bedürfte. Was den höheren
Gegenden der Mais, das ist den Bewohnern des heißen Klimas die Banane in
hohem Maaße, denn ein Pisangfeld ernährt 25mal mehr Menschen als ein gleich
großer Waizenacker, und die Faser deö Stammes dient noch zu Stricken und
Mattengeftecht. Daß es in der templada nicht an Knollengewächsen mangelt,
z. B- am Maniok und Iam, an der süßen Batate, und neben der Orange nicht
an Ananas, Chirimoyas, Pompelmnse u. f. w. läßt sich denken, und die Kartoffel
über deren besondre Heimath so verschieden geurtheilt wird, hat Sartorius im
einsamsten Gebirge, nahe deni Orizaba wild gefunden, sowohl blaublümig mit
runder Knolle, als auch weißblümig mit walzenförmiger. Eine Lieblingsjpeise
bietet die mexikanische Bohne, Frijoles genannt. Wo es für die Olive zu warm
ist, baut man den Sesam als bestes Oelgewächs; und wie Humboldt prophezeit,
wird man von Mexiko ans in Zukunft die Union Nordamerikas mit Wein ver-
sorgen, so gnt kömmt die Rebe fort. Auch die Agave, obwohl völlig einheimisch,
gehört zu den Kulturpflanzen. denn ihre Blätter gebraucht der Indianer zu
Hüttendächern, ihre Fasern zu Kleidergeweben, ihren Blütenschaft zu Pfosten,
ihren Saft zum Getränk. Ehe der hohe Schaft emporschießt, schneidet man der
Pflanze das Herz aus, das sich alsdann 3 bis 4 Monate lang mit dem Saft
anfüllt, welchen die Natur zum Treiben der Blüte bestimmt hatte; diesen Saft,
täglich 5 Flaschen voll, schöpft mau aus, und trinkt ihn frisch wie Most oder läßt
ihn zum berauschenden Wein gähreu, den man Pulque nennt. Eine kräftige
Pflanze liefert 600 Flaschen Saft. Es giebt deßhalb auch große Agavepflanzungeu,
hie und da von 20 — 30000 Stück- Nicht minder bietet die nahrhafte Frucht
mancher Cactusse den Indianern des Hochlandes eine willkommene Erndte. —