1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Südamerika. — Westindien od. die Antillen.
Tiefen und das der Berge. In der Regenzeit gießt es fürchterlich, so wie über-
haupt Stürme und Gewitter dort äußerst heftig sind. Auch an gewaltigen Erd-
beben fehlt es nicht, aber die Vegetation ist groß. Wir müßten ein Verzeich-
niß von mindestens 60 bis 70 Namen aufstellen, um nur die nutzbarsten Gewächse,
die Arznei-, Nähr- und Würzpflanzen, die Hölzer für Knnstschreinerei und Färberei
u. s. w. zu erwähnen. Ueberall trifft man reiche Pflanzungen von Zucker und
Kaffee, Kakao, Jnligo, Baumwolle, Tabak k. Sogar ceilonischer Zimmet und
australische Brodfrncht ist angepflanzt, Mais aber und anderes Getraide, das we-
niger einträgt, wird vernachlässigt. Man schätzt die Production des Zuckers auf
9 und die des Kaffees auf beinahe l1/, Mill. Ctr., und obwohl in neuester Zeit
andre tropische Küsten auf gleiche Weise benutzt werden, behauptet diese Inselwelt
doch immer einen wichtigen Platz unter den Ländern, die den europäischen Markt
mit Colonialwaaren versorgen. Die Bevölkerung, fast zwei Drittheile Neger,
und die übrigen, halb Weiße halb Farbige, beträgt etwa 3y2 Mill. Köpfe. Ab-
kömmlinge der alten Karaiben, die unter dem spanischen Joche zu Grund gingen,
sollen sich keine, oder höchstens noch ans Trinidad vorflnden. — Westindien ist
der Gesammtname der Inseln, der in Brauch kam, als man inne ward, daß
Colnmbus nicht das von ihm gesuchte eigentliche Indien gefunden habe *).
Unterabtheilungen sind a) die großen Antillen: Kuba, Hayti, Jamaika, Por
torico; t») die kleinen Antillen von Portorico bis zur Küste Venezuelas;
c) die Bahama oder Lncayischen Inseln. Insofern die kleinen Antillen dem
Ostwind offen da liegen, nennt sie der Schiffer windward isles d. h. Inseln im oder
über dem Winde, während die andern vorder Küste Veneznela'sleeward ob. Inseln
unter dem Winde sind. — Wir wollen sie nach ihren Besitzern durchgehen.
1) Hayti (Hispaniola, Sanct Domingo) die einzig unabhängige. Vor der
Revolution war sie unter Spanien (Hauptort Domingo) und Frankreich
(Hauptort Port an Prince) getheilt. In Folge der französ. Revolution brach ei»
mörderischer Aufstand der Schwarzen ans, man riß sich unter Toussaint Louvertüre
von der Herrschaft der Weißen los, einzelne Tyrannen (Dessalines und Henri)
folgten ans einander; zuletzt 1821 ward Hayti zum Erstaunen der Welt eine
Mulatten- und Negerrepublik, die sich gut verwaltete, sich von Frankreichs An-
sprüchen mit 60 Millionen Francs abzulösen versprach, und selbst für Bildung
sorgte. Doch in den Jahren 1842 und 1843 trafen harte Schläge den neuen
Staat, zuerst furchtbare Erdbeben, worin die Hauptstädte fast untergingen, dann
nach Absetzung des Präsidenten Boyer eine politische Zerrüttung, die den
Osten und Westen, d. h. den kleineren ehmals spanischen Theil von der größeren
französischen Hälfte, wieder trennte. Der spanische bildet nun einstweilen eine
Republik für sich, die dominikanische; in dem französischen aber hat sich bereits
wieder ein Tyrann gefunden, Namens Sonlouque, der als König oder Kaiser
Faustin von Hayti an die Spitze getreten und schnell wieder (wie zu Napoleons
Zeit 1811 Henri-Christoph) hohe Avelstitel ausgetheilt hat. — Die Insel ist
*) Daher kommt es auch, daß die Eingebornen des neuen Welttheils über-
haupt Indianer genannt wurden.