1858 -
Osnabrück
: Rackhorst
- Hrsg.: Lansing, Franz, ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Länge, welche fast um das Doppelte die Küstenlange von Afrika
übertrifft, obgleich dieser Erdtheil an Flächeninhalt etwa dreimal
größer ist, als Europa.
Diese formenreichen Küstenumrisse und Binnenmeere, ein
inselreicher Archipel, ein höchst mannichfaltig gegliedertes Relief
(Erhebung) der Oberfläche, welches den Lauf schiffbarer Ströme
in allen Himmelsrichtungen begünstigt, charakterisieren Europa
vor andern Erdtheilen. Sie liefern den Völkern unermeßliche
Mittel des Verkehrs und des Austausches ihrer materiellen und
geistigen Güter, ohne dabei gewisse nationale Eigenthümlichkeiten
aufzuheben, die gerade denselben Naturverhältnissen den ersten
Grund ihrer Entstehung und Fortbildung verdanken.
Daß das am mannichfaltigsten gegliederte Hellas mit seinen
Hunderten von Halbinseln, Inseln und Inselchen der von der
Natur am reichsten befähigte Wohnsitz für die erste Blütenent-
saltung eines civilisierten Volkes war, daß hier die Natur selbst
dem Genius der Schönheit und Anmuth in-Poesie und Kunst
die Wiege bauete, ist ebenso unbestreitbar, als daß Griechenland
für lange Zeitdauer seine Macht und Blüte nicht bewahren
konnte. Das Scepter der Macht mußte an ein anderes Halb-
inselvolk übergehen, dessen Stellung mehr im Centrum des
Mittelmeers zum Erobern wie zum Herrschen eine weit begün-
stigtere war. Mit einem fast eben so milden Klima gesegnet,
stand das welterobernde Rom auf einer solidern irdischen Basis.
Eine compactere, fruchtbarere und bevölkertere Ländermasse um-
gab seine Hauptstadt. Dazu besaß Italien eine fast eben so
reiche Küstenentfaltung wie Griechenland nach drei Himmelsge-
genden, wo das wogende Element einem thatkräftigen und
ruhmdürstenden Volke den Weg zu lockender Beute in allen
Richtungen zeigte. Die trennende Alpenmauer im Norden schützte
den aufblühenden Römerstaat vor einem zu frühen Zusammen-
stoß mit den kräftigen Barbarenvölkern Galliens und Germaniens.
Als Italien aber mit Rom kriegsmächtig und organisiert war,
hatte es diesen Besuch der nordischen Völker nicht mehr zu
fürchten. Ohne jene trennende Hochgebirgsmauer aber hätte der
römische Staat zu seiner riesigen Größe sich ebenso wenig er-
hoben, wie ohne Italiens glückliche Lage als centrale Halbinsel
des Mittelmeers, von welchem seine erobernden Flotten und
Heere nach drei Welttheilen ausgingen.
Den sichern Beweis, daß die physischen Verhältnisse mehr
als irgend andere Umstände der Geschichte ihren Gang vor-
zeichnen und die Rolle der Nationen bestimmen, könnte uns das