1858 -
Osnabrück
: Rackhorst
- Hrsg.: Lansing, Franz, ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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mittelalterliche Italien liefern. So lange Amerika nicht entdeckt
und der Wasserweg nach Ostindien nicht aufgefunden war, muß-
ten dem durch seine geographische Stellung am meisten begün-
stigten Lande des Mittelmeers materielle Blüte und geistige Cultur,
politische Macht und Einfluß verbleiben. Trotz der Ueberflutung
und Verheerung Italiens durch nordische Barbaren, trotz der
Zertrümmerung des weströmischen Reiches blühet Thatkraft,
Reichthum und Bildung mächtig in den einzelnen Republiken
und Fürstenstaaten wieder aus. Erft mit der Entdeckung des
westlichen Kontinents und des Wasserweges nach Hindostan ver-
lor Italien seine glückliche Weltstellung und mußte seine Rolle
an andere Nationen abgeben, deren Wohnsitze mit einer ähn-
lichen Küstenentfaltung die günstigere Stellung am Ocean ver-
banden.
Spanien und England werden seit jener Epoche welter-
obernde Länder. Politische Macht, Cultur, Reichthum und die
Fähigkeit, Länder von der gewaltigsten Ausdehnung aus der
Ferne zu beherrschen, sind bei England geblieben, dem rechten
Arm und der geharnischten Faust der Amazonen - Jungfrau
Europa, deren anderer Arm — Italien — wie gelähmt Schwert
und Scepter wohl für immer entfallen ließ!
Auch das von nun an so klein scheinende Mittelmeer mit
seinem engen Küstenrahmen, auf welchem Italiens Macht und
Reichthum beruhte, so lange die civilisierte Erde für die Wissen-
schaft eine kleine und enge war, verlor seine Weltbedeutung, als
die vergrößerte Länderkunde eine freiere, weiter reichende Bewe-
gungskraft forderte, und strebende und wetteifernde Nationen
auf eine Wellbühne rief, von deren Größe das alte Rom sich
nichts geträumt hatte.
Derjenigen von den europäischen Nationen, welche die
größte Flugkraft entfaltete, mußte naturgemäß der größte Antheil
an Macht und Reichthum zufallen, und wer nur einen Blick
auf die Karte Europa's wirft, kann nicht leugnen, daß kein
anderer Staat der östlichen Erdhälfte die Form und Stellung
zur meerbeherrschenden Weltmacht in gleichem Grade erhalten
hat, wie das rings von seinem bewegten Lebenselement um-
wogte Inselreich Britannia.
Warum haben die Slaven mit dem größten Gebietsantheil
in Europa bis jetzt die kleinste Rolle in der europäischen Cultur-
geschichte gespielt? Warum ruht auf ihnen der Fluch einer ver-
gleichsweise trostlosen Unfruchtbarkeit der Erfindung in allen Ge-
bieten des Wissens, wie in allen schönen und anmuthigen Kün-