1858 -
Osnabrück
: Rackhorst
- Hrsg.: Lansing, Franz, ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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2. Das deutsche Hochgetürgsland oder die deutschen Alpen.
Unabsehbar ergießt sich vor meinen Blicken die Ferne,
Und ein blaues Gebirg endigt rm Duste die Welt-
Endlos unter mir seh' ich den Aether, über mir endlos,
Blicke mit Schwindeln hinauf, blicke mit Schaudern hinab.
Schiller.
Das Alpengebirge ist „die silberne Krone des Welttheils"
Europa, dessen Erhebnngscbarakter darin am stärksten und schärf-
sten sich ausgeprägt hat. Wenn man von dem Dome zu Mailand
oder von St. Marcus zu Venedig bei günstiger Beleuchtung
nordwärts schaut, oder wenn man aus der lombardischen Ebene
nach Norden geht, so richtet man seine überraschten Blicke voll
Erstaunen auf eine Riesenmauer, welche den ebenen, fast end-
losen Horizont im Norden begrenzt. Hoch empor über die Wol-
ken, welche das dunkelblaue Fußgestell umschwimmen, ragt ein
seltsam gezacktes starres Gemäuer, das bald gelblich, bald rosen-
roth umschleiert und von Riesenkuppein überbaut ist, deren
Silberglanz zauberhaft in die warme, mit Gärten bedeckte Fläche
hereinleuchtet. Es sind die weißen oder Schnee-Gebirge,
die Alpen (von alb) alp, celtisch weiß). Dieser Name des Ge-
birges ist schon über zwei Jahrtausende alt, und seine Bedeutung
tritt noch heute in der Benennung des erhabensten Bergriesen
der Alpen, des Montblanc (d. i. weißer Berg», so wie der
höchsten Bergkette Palästinas (Libanon) und des größten Erhe-
bungspunktes der Erde (Dhawalagiri), hervor *). Wie mächtige
Gebirge überhaupt, weil »sie das Größte sind, was es für die
sinnliche Anschauung gibt, die Aufmerksamkeit in hohem Grade
fesseln, so üben auch die Alpen als die höchsten Gebirge unseres
Welttheils von jeher jene magische Anziehungskraft aus, welche
die Völker fast aller Länder zu diesen Gottesaltären treibt, um
bewußt oder unbewußt die Macht des Schöpfers zu verehren."
»Je näher man," sagt der schweizerische Geschichtschreiber Jo-
*) lieber die höchsten Berghöhen in Asien und Amerika vergl.
weiter unten „Peru und die Guanoinseln." Um die Ehre, der König
der deutschen Berge zu sein, streiten sich der Ortler aber Ortles-
spitz in Tyrol und der höchste Gipfel der nvrischen Alpen, der an
der Grenze von Tyrol, Kärnthen und Salzburg sich erhebende Groß-
glockner, dessen Besitz zwischen Tyrol und Kärnthen streitig ist.
Beide Bergriesen sind ungefähr 12,000 Fuß doch, nach den neuesten
Messungen durch die Brüder Schlagintweät ist jedoch der Großglockner
etwas höher, nämlich 12,213 Fuß, und wäre demnach der höchste
Berg Deutschlands.
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