1858 -
Osnabrück
: Rackhorst
- Hrsg.: Lansing, Franz, ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Prag. Wir fuhren eiligst an dem Invalidenhause vorüber, wel-
ches dem berühmteren Pariser nur wenig an Größe nachgeben
soll; bald rollte der Wagen durch die Festungsthore der Haupt-
stadt des Landes, der Paß ward uns abgefordert, und wir be-
zogen, nachdem wir bei mehreren Gasthöfen ersten Ranges, z. B.
dem Roß, dem Engel u. s. w. wegen Ueberfüllung abgewiesen
worden waren, einige Zimmer in der „Stadt Wien". Rach dem
Umkleiden begann ich, der ich die böhmische Hauptstadt schon
durch mehrmaligen Besuch kannte, meinem Gefährten die Schön-
heiten dieses deutschen Roms, wie man Prag schon oft genannt
hat, zu zeigen.
Der nächste Gang führte uns über den schönsten Platz oder
die schönste Straße, den Graben; er trägt also zufällig denselben
Namen, wie der besuchteste Theil von Wien, der ja auch nichts
anders, als eine breite Straße ist, nur möchte ich dem Prager
noch den Vorzug geben; er ist nämlich geräumiger, und von
nicht minder palastartigen Häusern besetzt, wo ein glänzender
Laden den andern verdunkelt, aus denen ein fortwährendes Ge-
wühl hervorströmt, und Wohlhabenheit, ja Reichthum aus allen
Fenstern spricht. Wir machten alsdann einen kleinen Umweg, um
durch den sogenannten Pulverturm hindurch, der ein merkwür-
diges, kolossales, im schönsten gothischen Stile viele Stockwerke
hohes Mittelding zwischen Turm und Haus, eine Art Triumph-
bogen ist, um die sogenannte Altstadt hindurch in den Theil der
Stadt zu gelangen, der ein Seitenstück zu dem römischen Ghetto
rst, nämlich zur Iudenstadt, denn nach derselben war mein juri-
stischer Begleiter außerordentlich begierig. Verlange nicht, daß ich
mich in diesem unansehnlichsten und ältesten Theile der Stadt,
der ein Tempel der in üblem Gerüche stehenden Göttin Mephitis
zu sein scheint, mit meiner Schilderung aufhalte. Du folgst mir
lieber zu einer der beiden Brücken, entweder über die steinerne,
welche schon Kaiser Karl Iv. *) errichtet hat. der bekanntlich von
mischen Hauptflusses, der bei der alten Stadt Melnik, die durch ihren
Wein und ihren Hopfen (Melnik heißt Hopfenstadt von dem slavifchen
mol — Hopfen) berühmt ist, in die Elbe fällt und sie schiffbar macht.
*) Von Karl Iv., dessen Lieblingsrestdenz Prag war, wurde
1348 die altberühmte Universität, nach Heidelberg (1346) die älteste
Deutschlands, gestiftet. Sie ist gegenwärtig besonders durch ihre medi-
cinische Facultät im Auslände berühmt und zählt 1200—1400 Stu-
denten; in ihrer Blütezeit soll sie 60,000, nach andern 40,000,
oder, wie von allen zugegeben wird, 20,000 Studenten gehabt haben,