1858 -
Osnabrück
: Rackhorst
- Hrsg.: Lansing, Franz, ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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auf das unbefestigte Paris betäubt, so muß ein Schlag auf das
befestigte Paris, welches nicht bloß, wie früher, als Sitz der Re-
gierung und der geistigen Thätigkeit, sondern nunmehr auch als
Herd aller kriegerischen Operationen in höherem Grade der
Mittelpunkt der öffentlichen Meinung ist, die Lebenskraft selbst
treffen. Gleichwohl ist diese Stellung der Hauptstadt durchaus
nicht eine künstliche, sondern eine innerlich nothwendige Erhö-
hung, ein nothwendiges Product des Charakters der Nation,
welche sowohl durch die geschichtlichen Zusammenhänge mit
Rom, als auch durch die eine geistige Einigung befördernde
Naturganzheit des bewohnten Bodens dahin bestimmt wurde,
daß sie sich darin gefällt und es sich gefallen läßt, daß all ihr
Glanz auf einen Focus gehäuft wird, damit er um so blen-
dender von da in's Ausland strahlen möge.
Nach E. Kapp.
4. Die Bretagne und die Stadt St. Mato.
In seinem westlichsten Theile ragt Frankreich weit in die
See hinaus in Gestalt einer langen und breiten Halbinsel, welche
einerseits die Gewässer des Kanals (la Manche) einschließen
und die an den beiden andern Seiten (im W. und im S.) die
Fluten des atlantischen Oceans zerreißen; diese Halbinsel ist die
Bretagne, die alte und malerische Bretagne mit ihren eigenthüm-
lichen Sitten, ihren Sagen und ihrer vielgestaltigen Physiognomie.
Hier begrenzen von der Sonne bestrahlte Quarzfelsen das sandige
Meeresgestade, das seinerseits wieder ein azurblaues Meer ein-
schließt, dort in der senkrecht abgeschnittenen Küste öffnen sich
schwarze Grotten, erfüllt mit Geheimniß und Schauder, wo seit
Jahrhunderten die Wogen brüllen und wovon der Pilot mit
Entsetzen sich abwendet; einerseits unfruchtbare Heiden (landes),
unermeßliche Einöden und geheimnißvolle Wälder, andrerseits
lachende Landschaften, Dörfer zerstreut in fruchtbaren Ebenen,
blaue schieferbedeckte Kirchtürme inmitten hoher Bäume, Hütten
im Schatten alter Ulmen und Meiereien unter der Weidenpflan-
zung verborgen am Ufer des klaren Baches; einerseits das feier-
liche Schweigen der Wüste, andrerseits im innern Heidelande
lieblicher Duft und sanfte Harmonie. Die Glocke, welche zum
Gebete ruft, der Ambos, welcher in den Arbeitsstunden erdröhnt,
die Biene, welche auf dem Rasen der Wiese summt und der
Vogel, der im Gebüsch oder im Heidekraut zwitschert. Das ist
die Bretagne.