1858 -
Osnabrück
: Rackhorst
- Hrsg.: Lansing, Franz, ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Frankreich oder Italien liegen, ohne als Ausländerin Aufsehen
zu erregen; auffallend aber ist die Abwesenheit großer und im-
posanter Kirchen. Die öde und unmalerische Lage von Madrid
ist bekannt und in dieser Beziehung ist es wohl mit Versailles,
der ehemaligen Residenz der französischen Könige, verglichen wor-
den. Was Madrid zur Residenz geeignet macht, ist seine Lage
fast im Mittelpunkte des Reiches; aber bei den mangelhaften
Straßen, namentlich zur Winterzcit, ist es einer Insel zu ver-
gleichen, die man erst nach langen Mühseligkeiten und Gefahren
erreicht. Uebrigens ist ihm auch der Rang einer Hauptstadt schon
oft streitig gemacht, und vor Philipp Ii. wurde das Hoflager
und die castilischen Cortes nur bisweilen in Madrid gehalten;
in frühem Zeiten war Toledo längere Zeit Sitz der Regierung
und nach dem Tode Philipps Ii. wurde er auf einige Jahre nach
Valladolid verlegt. Doch zog Philipp Iii. nach Madrid zurück
um 1606, und seit jener Zeit ist Madrid Haupt- und Residenz-
stadt geblieben. Zur Maurenzeit war sie unbedeutend und wenig
genannt; damals hieß sie Magerit, was den ehemaligen
Wasserreichthum dieser Gegend bezeichnen soll. Dies klingt fast
unglaublich; denn Madrid ist diejenige Stadt Europas, wo auf
das Individuum die geringste Quantität fallenden Wassers *) trifft,
und auf die nächste wasserarme Stadt kommt noch dreimal so
viel. Madrid hat kein Wasser, darum keine Gärten, keine Land-
häuser, keine Früchte, keine Fabriken, keine Gewerbe;'darum sind
die Lebensmittel theuer und schlecht, die Luft ungesund. Aber
der Manzanares? — Obgleich er im Winter bisweilen stark
anschwellen soll, so ist er im allgemeinen doch sehr unbedeutend
und, als möchte er sich nicht sehen lassen, schleicht er in dünnen,
schmutzigen Streifen um die Stadt herum. An seinen Ufern ha-
den die zahllosen Waschweiber ihr Lager aufgeschlagen, die unter
unbeschreiblichem Geschnatter mit dem schmutzigen Manzanares-
wasser waschen.
Unerträglich wird dieser Wassermangel bei der Gluthitze
eines spanischen Sommers, welche z. B. 1852 in Madrid auf
360 Maumur stieg, wobei aber die Winterkälte auch oft bedeu-
tend und anhaltend ist, daher das Sprüchwort, in Spanien sei
9 Monate Winter und 3 Monate Hölle: nueve meses de in-
vierne y tres de infierno. Dies gilt wohl hauptsächlich von
der Hochebene beider Castilien, Andalusien hat eine fast afrika-
nische Wärme und Granäda ist wegen seines Frühlingsklimas
von Dichtern gepriesen.
) Vergl. S. 76.