1858 -
Osnabrück
: Rackhorst
- Hrsg.: Lansing, Franz, ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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die Damastener Waffenfabriken, die Porzellanfabriken, die Leinen-
industrie, der Zuckerbau; anders sind erst in den letzten Jahren
zu Grunde gegangen, z. B. die Türkisch-Rothgarnfärberei, noch 1837
in Ambelakia (in Thessalien) blühend; jetzt wird im Lande kein
Faden mehr produciert, und der Bedarf an dieser Ware von
Elberfeld und Barmen befriedigt. Der Seidenweberei steht jetzt
ein ähnliches Schicksal bevor; wenn nicht ernstlich eingefchritten
wird, dürfte die ganze Seidenindustrie der Türkei nach wenigen
Jahren zu den mythischen Traditionen gehören. Es ist unglaub-
lich, aber wahr, daß die Türkei, deren Küsten ungeheure Quan-
titäten Oel producieren, alljährlich bedeutende Mengen dieses Ar-
tikels von Neapel, Sardinien und Südfrankreich einführt, weil
die Bearbeitung in jenem Lande gar keine Aufmunterung findet.
Ein Eingangszoll von 5 Procent und ein Ausgangszoll von
12 Procent ist eine Abgeschmacktheit, die man fick gar nicht an-
ders erklären kann, als daß irgend ein unversöhnlicher Feind
des Landes der Regierung dieses Princip mit dem Pistol auf
der Brust aufgezwungen hat. — Freilich läßt sich Cultur, Indu-
strie und Wohlstand nicht durch Regierungsordonnanzen comman-
dieren ; die Regierung ist gleichsam nur der Arzt, welcher der Natur
zu Hülfe kommen muß und ihr nicht entgegenarbeiten darf; ist aber
der Körper an sich schlecht, wie man doch bei dem Türken, den
man sprüchwörtlich den „kranken Mann" nennt, wohl annehmen
muß, so bieten vergebens Natur und Arzt ihre Heilkräfte auf.
Der Krankheitsstoff aber liegt hauptsächlich in der Bevölkerung
selbst.
Die verschiedenen Völkerschaften im türkischen Reich sind alle
einer gewissen Indolenz und Trägheit theilhaftig, die eine mehr,
die andere weniger, aber überall spielt die bis inertiae, die
Kraft der Faulheit, eine große Rolle. Die türkische Race steht
darin obenan, sie ist physisch und geistig indolent; die armenische
und griechische haben auch ihren Antheil, aber sie sind wenigstens,
namentlich die Griechen, geistig, lebendig und rührig; der Grieche
ist ein geborner Seemann und Kaufmann, der Armenier ein
geborner Finanzmann und Lastträger; zum Ackerbau haben beide
wenig Anlage, zum Handwerker ist der Grieche sehr geeignet.
Die slavischen Racen sind geistig indolent, aber physisch sehr thä-
tig und arbeitsam; sie sind geborne Ackerleute und Hirten.
Diese Indolenz, die zum Theil so weit geht, daß nicht ein-
mal das allmächtige Geldinteresse etwas dagegen vermag, die
Zähigkeit, womit alle Nationalitäten am Althergebrachten kleben,
der Tschibuk (die türkische Pfeife), womit schon wegen der eigen-
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