1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Die Vereinigten Staaten.
roth angestrichen sind. Die griechische Kirche mit ihrem Dom und grünem
Thurm, so wie ein stattliches Amtsgebäude geben Neu-Archangel die Würde
eines kleinen deutschen Landstädtchens. Leider ist das Klima ein unerhörtes,
weniger kalt als naß. Wenn es nicht schneit, regnet es beharrlich, und
bisweilen in solchen Strömen, daß z. B. nach einer Jagdpartie das Rohr
einer Flinte theilweise mit Wasser angefüllt ist. Schlimmer als der Regen
find die seltenen Tage des warmen Sonnenscheins, die stets das Fieber so-
wie Brustleiden zum Ausbruch bringen, sonst sind rheumatische Uebel die un-
ausbleibliche Beigabe für alle Einwohner. Wenn amerikanische Blätter die
neue Erwerbung als Ackerbaucolonic empfohlen haben, so bemerkt Whymper,
daß bis dahin auch nicht ein Tagewerk mit Halmfrüchten bestellt war, so we-
nig eignet sich das Klima für jenen Zweig der Landwirthschaft. Vormals
lag in Sitka eine russische Compagnie in Garnison, und das Städtchen
zählte etwa 800 Köpfe, Weiße und Mischlinge, die Eingebornen ungerechnet,
welche ein streng abgesondertes Quartier bewohnen. Jetzt, seit Sitka ameri-
kanisch geworden ist, stieg seine Einwohnerzahl auf 3000, und für Bau-
plätze wurden fabelhafte Preise bezahlt, ja im Frühjahr 1868 begehrte man
für eine gewöhnliche Blockhütte nicht weniger als 10,000 Dollars. Mit
den Dollars wird aber die „gute alte Zeit" aus Sitka vertrieben werden.
Auf der ganzen Erde gab es für Müssiggänger und Tagediebe kein vollkomm-
neres Paradies als Sitka, denn das Jahr hatte 180 Feiertage, während die
herzlosen Amerikaner nur zwei kennen, den Weihnachtstag und den Neujahrs-
tag. Auch die Kalender werden jetzt feindlich auf einander stoßen. Wir
meinen weniger die Rechnung nach Altem und Neuem Stil, als die verschie-
denen Ansänge des bürgerlichen Tages. Die Russen, die ostwärts wanderten,
behielten ihre Wochentagrechnung auch in Amerika bei, so daß der russische
Sonntag in Sitka und der amerikanische Samstag in San Francisco zu-
sammenfallen. Da nun Amerikaner und Russen sabbatheifrige Gemüther sind,
so schließen die Amerikaner an ihrem Sonntag die Geschäfte, die Russen am
amerikanischen Montag. Vielleicht entschädigt dieser Doppelsabbath die Ortho-
doxen einigermaßen für den Verlust ihrer 178 Feiertage. Bereits ist eine
einfache und bisweilen eine monatliche Doppelverbindung zwischen Sitka und
San Francisco durch Dampfer hergestellt worden, wir fürchten aber trotzdem,
daß diese rasche Blüte ein jähes Ende nehmen möchte, denn außer dem Fisch-
fang und der Jagd auf Pelzthiere besitzt Alaska wenig andere Hilfsquellen,
und beide wurden schon zur russischen Zeit hinlänglich ausgebeutet.
(Nach dem „Ausland".)
Die amerikanischen Eisenbahnen nach dem Pacific.
Das Jahr 1869 wird in der Geschichte durch zwei große Ereignisse
glänzen, durch die Eröffnung des Suez-Canals und der ersten Eisenbahn
nach dem Stillen Meer, zweier mächtiger Unternehmungen, die viel dazu
beitragen werden, den Ausspruch des Columbus. von der Kleinheit der Erde
wahr zu machen. Die Vereinigten Staaten feierten am 10. Mai die Voll-
endung des großen Werkes in ihrem Gebiet; an diesem Tage wurde zu Pro-
montory Point im Norden des Großen Salzsees von Utah die letzte Schiene
der Bahn zwischen dem Atlantischen und Großen Ocean befestigt.
Die Trennung Amerika's in eine Nord- und Südhälste ist augenfällig
und allbekannt; aber ein noch viel größerer Unterschied besteht zwischen Ost-
und Westamerika. In Ostamerika herrschen die Ebenen vor, hie und da