1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Die Vereinigten Staaten.
ist schon am 10. Mai die Vereinigung beim Großen Salzsee erfolgt und da-
mit der erste Theil des großen Eisenbahnunternehmcns vollendet, — der erste
Theil, mehr nicht.
Diese Bahn hat sehr bedeutende Steigungen; von ihren 1657 Meilen
sind 1100 Meilen über 4000 Fuß hoch und mehr als 500 Meilen sind
7500 Fuß über dem Meere. In der Breite, die sie durchschneidet, ist der
Schncefall sehr groß, oft 20 Fuß tief. Im März 1869 war die Bahn
10 Tage durch Schnee versperrt, trotz der großartigen Schncedächer zu ihrem
Schutz. Außerdem besitzt sie nur ein Gleis, und so ist es außer Zweifel,
daß sie den bestehenden und sich stets mehrenden Bedürfnissen nicht genügen
kann. In der That haben beide Gesellschaften schon Routen vermessen lassen,
auf denen sie ihre respective Bahn fortsetzen wollen, so daß wir also in der-
selben geographischen Breite zwei Bahnen erhalten würden. Nun treffen aber
zwei andere Compagnien ernsthaft Anstalten, im Norden und Süden der
gegenwärtigen Bahn Concurrenz-Bahnen nach dem Stillen Meer zu bauen.
Die nördliche dieser Bahnen soll vom Obern See nach dem obern Missouri
und von da durch die Gebirge nach Puget Sound geleitet werden. Merk-
würdiger Weise steht es fest, daß diese so viel nördlichere Bahn viel weniger
vom Schnee zu leiden haben wird als die jetzt vollendete mittlere. Die Com-
pagnie beabsichtigt, den Bau dieser Bahn im Frühjahr 1870 zu beginnen.
Die südliche Bahn soll in der Hauptsache dem 35. Parallel entlang gehen.
Bis an die Westgrenze von Kansas ist eine Bahn gebaut, diese soll nack
Albuquerque in Neu-Mexico, sodann durch diesen Staat und Arizona nach
dem südlichen Californien geleitet werden. Von San Franciscio aus wird
schon stark an der kalifornischen Südbahn gearbeitet. Diese südliche Bahn
wird gar nicht von Schnee belästigt werden und gleich der nördlichen viel
niedrigere Pässe überschreiten als die mittlere.
Außer diesen großen Bahnen sind eine ganze Anzahl Zweigbahnen pro-
jectirt, um wichtige Minencentra mit den Hauptbahnen zu verbinden. Ich
nenne hier nur die Bahn von Cheyenne und Denver City, ferner die nach
den Washoe- Minen und ferner die nach den White Pine Minen. Da diese
letztern jetzt die allgemeine Aufmerksamkeit erregen, so seien ein paar Worte
über sie gesagt. Der District liegt in einer bisher ganz unbekannten und
unbewohnten Gegend im südöstlichen Nevada. Dort entdeckte ein Deutscher,
Namens Eb'erhardt, im Jahre 1868 eine äußerst reiche Silbermine. Rings
um diese Mine sind eine große Anzahl anderer Minen schon entdeckt und stets
nimmt ihre Zahl zu. Anfang April 1869 waren 15,000 Menschen dort
versammelt. Gegenwärtig werden in San Francisco große Wasserwerke gebaut,
welche diesen District mit Trinkwaffer versehen sollen.
Dies also ist der gegenwärtige Stand der Eisenbahnen nach dem Stillen
Meer. Man fährt jetzt von New - Uork nach San Francisco in sehr bequemen
Wagen innerhalb 7 Tage. Welcher Unterschied zwischen den 180 Tagen der
frühern Zeit und den 7 Tagen der Gegenwart! Die Bedeutung der Bahn
kann gewiß nicht überschätzt werden, aber es wird sich doch Herausstellen, daß
die gewöhnliche Annahme ihrer Wirkung nicht ganz richtig ist. Man nimmt
allgemein an, die Pacific-Bahnen würden einen großen Güterverkehr zwilchen
der Küste des Atlantischen und Stillen Meeres und damit auch zwischen
Europa und Asien vermitteln. Dies ist jedoch ein Irrthum. Der Eijenbahn-
tarif ist so hoch und muß nothwendigerweise so hoch sein, daß er sogar nicht
für die theuersten Frachtgüter, Seide und Thee, in Anwendung kommen kann.