1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Ost ^Europa.
vom Feuer ergriffen wurden. Als endlich der Brand erlosch, erinnerte die
Strecke zwischen Petersburg und Moskau an die Zeit der Mongolen-Jnvasion.
Beinahe auf der ganzen Länge der Bahn sieht man schwarzgebrannte Wald-
und Torfmoorstrecken. Nach und nach nahmen die Brände um St. Petersburg
so furchtbare Dimensionen an, daß in der Stadt panischer Schrecken herrschte.
Die Landhäuser hinter der Petersburger Seite auf dem rechten Newa-Ufer
waren fast gar nicht mehr zu bewohnen, so stark war die Atmosphäre mit
theerhaltigem Rauch geschwängert. Die Besitzer, meist Petersburger, verließen
daher ihre Sommersitze und kehrten in die Residenz zurück. Bei entsprechen-
der Windrichtung war auch die eigentliche Stadt am linken User der Newa
in eben solche Rauchwolken gehüllt, die kaum einen Sonnenstrahl durchscheinen
ließen.
In Folge dieser um sich greifenden Moor- und Waldbrände mußte auch
das Lager von Kraßnoje Selo aufgehoben werden, da an ein Verbleiben in
den vom Feuer heimgesuchten Gegenden nicht zu denken war. Am 7. Juli
hatte das an den verschiedensten Stellen ausgebrochene Feuer eine solche Dichtig-
keit gewonnen, daß die Dampfer zwischen den Inseln und St. Petersburg
bereits vor 10 Uhr ihre Fahrten einstellen mußten, und Kronstadt den Be-
wohnern von Oranienbaum aus dem Gesichtskreise gerückt ward. Freitag den
24. Juli fiel starker Regen, welcher den Torfbrand in der Gegend von Zars-
koje Selo und Kolpino löschte und die Lust von dem Rauche reinigte; allein
sehr bald darauf brach der Brand von neuem los. Bei Petersburg selbst hatte
er nie aufgehört, besonders heftig wüthete er in der Gegend der halben Ent-
fernung zwischen Zarskoje Selo und der Hauptstadt; Montag den 27. Juli
wehte der Wind von dem obern Laufe der Newa her und brachte einen so
dichten Rauch über die Residenzstadt, daß um die Mittagszeit die Palais-
Brücke nicht von der Nicolai-Brücke aus zu sehen war; dieser Rauch rührte
von dem bei Pargolowo (einem Dorfe nördlich von St. Petersburg) brennen-
den Walde her.
Allein nicht nur in der nächsten Nähe von St. Petersburg und auf der
Strecke nach Moskau, auch in anderen Theilen Rußlands traten diese ver-
heerenden Brände auf. In einigen Nordprovinzen, wo unermeßliche, undurch-
dringliche Urwaldungen sich befinden, standen ca. 10,000 Hektare Baumland
in heller Glut. Von Petersburg bis Wilna waren zu beiden Seiten der
Warschauer Eisenbahn im August 1868 brennende Wälder und glimmende
Torfmoore zu sehen. Im Kreise Bronnizy brannten gleichfalls mit Unterholz
bestandene Waldflächen und Torfmoore. Ostaschkow, im Gouvernement Twer,
war wochenlang in eine von den ringsum brennenden Wäldern stammende
Rauchwolke gehüllt. Nach den Berichten von Augenzeugen standen die Wälder
der Kreise Ostaschkow, Staraja, Russa, Demjansk, Waldai und Cholm in
Hellen Flammen, desgleichen bei Bielo im Gouvernement Smolensk. Der am
90. Juli gefallene Regen reinigte zwar etwas die Atmosphäre, dagegen nahm
in der Folge der Waldbrand selbst noch größere Dimensionen an. Nur Tula
hatte das Glück von einer allgemeinen Kalamität verschont zu bleiben.
Ganz um dieselbe Zeit hören wir von ähnlichen Phänomenen aus den Ost-
see-Provinzen. In Livland und Esthland standen Ende Juli eine Menge
Wälder in Flammen, so namentlich in der Fellin'schen Gegend, auf dem
Gute Schloß Rodenpois. In der Nähe Riga's brannten ebenfalls an ver-
schiedenen Orten die Waldungen, Und der Horizont war tagelang von
schweren Rauchwolken eingefaßt, am 19. Juli abends sah man sogar den